Das Geisterhaus
Vergnügen.
Kurier, Wien
Inhalt
Erstes Kapitel
Rosa die Schöne …………………………………………………………. 6 Zweites Kapitel
Die Drei Marien ……………………………………………………….. 55
Drittes Kapitel
Hellsichtige Clara ……………………………………………………… 95
Viertes Kapitel
Die Zeit der Geister…………………………………………………. 131 Fünftes Kapitel
Die Liebenden………………………………………………………… 179 Sechstes Kapitel
Die Rache ………………………………………………………………. 221 Siebentes Kapitel
Die Brüder……………………………………………………………… 262
Achtes Kapitel
Der Graf…………………………………………………………………. 309
Neuntes Kapitel
Das kleine Mädchen Alba ………………………………………… 330 Zehntes Kapitel
Die Zeit des Niedergangs …………………………………………. 368 Elftes Kapitel
Das Erwachen…………………………………………………………. 402 Zwölftes Kapitel
Die Verschwörung…………………………………………………… 428 Dreizehntes Kapitel
Der Terror………………………………………………………………. 461 Vierzehntes Kapitel
Die Stunde der Wahrheit ………………………………………….. 510 Epilog……………………………………………………………………. 532
Erstes Kapitel
Rosa die Schöne
»Barrabas kam auf dem Seeweg in die Familie«, trug die
kleine Clara in ihrer zarten Schönschrift ein. Sie hatte schon
damals die Gewohnheit, alles Wichtige aufzuschreiben, und
später, als sie stumm wurde, notierte sie auc h die
Belanglosigkeiten, nicht ahnend, daß fünfzig Jahre später diese
Hefte mir dazu dienen würden, das Gedächtnis der
Vergangenheit wiederzufinden und mein eigenes Entsetzen zu
überleben. Der Tag, an dem Barrabas eintraf, war ein
Gründonnerstag. Er kam in einem handgeflochtenen Käfig,
besudelt mit seinem Kot und Urin, und hatte den verstörten
Blick eines jämmerlichen, wehrlosen Gefangenen, aber an der
königlichen Kopfhaltung und den Ausmaßen seines
Knochenbaus ließ sich bereits der sagenhafte Riese erraten, zu
dem er später heranwachsen sollte. Es war ein langweiliger Tag
im Herbst, nichts deutete auf die Ereignisse hin, die Clara
aufschrieb, damit ihrer künftig gedacht werde, und die in der
Pfarreikirche San Sebastian geschahen, während der Messe, der
Clara mit ihrer ganzen Familie beiwohnte. Die Heiligen waren
zum Zeichen der Trauer mit dem dunkelvioletten Stoff
verhangen, den die Betschwestern alljährlich aus dem
Kleiderschrank in der Sakristei hervorholten und entstaubten,
und unter den düsteren Tüchern wirkte der himmlische Hofstaat
wie wahllos herumstehende Möbel vor einem Umzug, ein
kläglicher Eindruck, den auch die Kerzen, der Weihrauch oder
die ächzende Orgel nicht wettmachen konnten. Wo sonst die
lebensgroßen Heiligen standen, alle mit gleich verkle mmten
Gesichtszügen, mit ihren Perücken aus Totenhaar, den Rubinen,
Perlen und Smaragden aus buntem Glas und den Kleidern
vornehmer Florentiner, standen nun unförmige, drohende
Gestalten. Der einzige, der durch die Verhüllung gewann, war
der heilige Sebastian, der Schutzpatron der Kirche, der den
Gläubigen während der Osterwoche den Anblick seiner
unanständigen Körperverrenkungen ersparte, denn mit dem
halben Dutzend Pfeilen im Leib und den Strömen von Blut und
Tränen, die er vergoß, sah er wie ein leidender Homosexueller
aus, und seine dank dem Pinsel von Pater Restrepo
wunderbarerweise immer frischen Wunden ließen Clara vor
Ekel schaudern.
Es war eine lange Woche mit Bußübungen und
Gottesdiensten, ohne Kartenspiel, ohne Musik, die zu Wollust
oder Vergessen angeregt hätte, man beobachtete nach
Möglichkeit die größte Traurigkeit und Keuschheit, obgleich der
Stachel des Teufels gerade in diesen Tagen das schwache
katholische Fleisch hitziger denn je in Versuchung führte. Es
gab Blätterteigpasteten als Fastenspeise, leckere Gemüsesuppen,
luftige Tortillas und große, vom Land hereingebrachte Käse,
Gerichte, mit denen die Familien der Passion unseres Herrn
gedachten, sehr besorgt, auch nicht das kleinste Stückchen
Fleisch oder Fisch zu kosten, da sie widrigenfalls mit
Exkommunikation bestraft werden würden, wie
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