Das Rätsel der Rückkehr - Roman
Der Anruf
Die Kunde schneidet die Nacht entzwei.
Die fatale Nachricht am Telefon,
die jeden Mann reiferen Alters
einmal erreicht.
Mein Vater ist soeben gestorben.
Ich fuhr heute früh am Morgen los.
Ohne Ziel.
Wie ab jetzt mein Leben.
Halte unterwegs zum Frühstück an.
Eier mit Speck, Toast, brühheißer Kaffee.
Setz mich nah ans Fenster.
Stiche der Sonne wärmen mir die rechte Wange.
Werfe zerstreut einen Blick auf die Zeitung.
Das blutrünstige Bild von einem Verkehrsunfall.
In Amerika verkauft man den Tod anonym.
Ich schaue der Bedienung zu, wie sie
zwischen den Tischen herumläuft.
Höchst eifrig.
Ihr Nacken schweißnass.
Das Radio spielt diesen Westernsong,
der von einem Cowboy
mit Liebeskummer erzählt.
Die Bedienung hat eine rote Blume
auf der rechten Schulter als Tattoo.
Sie wendet sich traurig lächelnd mir zu.
Ich lege ein Trinkgeld auf die Zeitung
neben der Tasse mit kaltem Kaffee.
Ich stelle mir auf dem Weg zum Wagen
die Einsamkeit eines Mannes kurz vor dem Tod
in einem Krankenhaus vor in der Fremde.
„Der Tod verscheidet in der weißen Lache des Schweigens“, 1
schreibt der junge Poet aus Martinique Aimé Césaire
im Jahr 1938.
Was weiß man von Exil und Tod,
mit kaum fünfundzwanzig?
Ich nehme wieder die Autobahn 40.
Kleine froststarre Dörfer
entlang dem gefrorenen Fluss.
Wo haben sich alle vergraben?
Das Volk bleibt unsichtbar.
Mir ist, als entdeckte ich
jungfräuliche Gebiete.
Ich wähle ohne Grund
die Route über Land,
auf der ich eine Stunde länger brauche.
Riesige Eisesweite.
Für mich ist es nicht leicht,
selbst nach den vielen Jahren,
mir auszumalen, welche Form
der nächste Sommer hat.
Das Eis brennt
sich tiefer ein
als Feuer,
aber das Gras erinnert sich
an das Streicheln der Sonne.
Es gibt unter dem Eis
mehr brennende Begierden
und lebendige Kraft
als in jeder anderen Jahreszeit.
Die hiesigen Frauen wissen das.
Die Männer arbeiten schweißnass und
der erste, der spricht, ist ein Schwächling.
Im Wald ist Schweigen die Regel,
damit der Bär dich nicht überrascht.
Nach diesem vielen Schweigen
nimmt den Mann die Leere ein
und er ist nur noch ein dürrer Baum,
der im Schnee knackt.
Der Hunger, der den Wolf aus dem Wald treibt,
drängt den Holzfäller nach Hause.
Jetzt sitzt er eingenickt
nach der Suppe am Kamin.
Die Frau erzählt, was sie im Radio bringen.
Es geht immer um Arbeitslosigkeit oder Krieg.
So vergehen in den Dörfern des Nordens Jahrhunderte.
Schön in der Wärme redet es sich gut,
nebenher versorgt man alte Wunden.
Wunden, derer man sich schämt,
heilen dagegen nicht.
Mich überfällt Panik,
wenn man keinen menschlichen Laut mehr hört.
Ich bin ein Tier der Stadt.
Beherrscht vom Stakkato der Absätze
einer Frau, die hinter mir geht.
All meine Anhaltspunkte sind weg.
Der Schnee hat alles zugedeckt.
Das Eis hat die Gerüche verbrannt.
Dies Winterland.
Nur der Einheimische findet hier seinen Weg.
Ein dicker knallgelber Laster streift mich fast.
Vor Freude auf seiner langen Fahrt,
endlich jemanden zu treffen,
hupt der Fahrer wie um Tote zu erwecken.
Er braust weiter nach Süden.
Ich fahre in diesen Norden im Licht,
der mich begeistert und blendet.
Ich weiß, am Ende dieser Straße
schreibt ein Bärtiger voll Sanftmut und Wahn
inmitten einer Meute von Hunden
am großen amerikanischen Roman.
Versteckt in dem schlafenden Dorf
Trois-Pistoles am gefrorenen Fluss,
ist er der einzige, der heute mit Phantomen
Irren und Toten zu tanzen versteht.
Dies bläuliche Licht
tief über dem Fluss
saugt mich in einem Atemzug an.
Mein Wagen gerät ins Schleudern.
Ich gewinne noch eben die Herrschaft zurück.
Zu sterben, inmitten der Schönheit der Dinge,
ist dem Kleinbürger nicht gegeben,
der ich bin.
Ich weiß, hier bin ich in einer Welt,
die der meinen entgegengesetzt ist.
Das Feuer des Südens gekreuzt
mit dem Eis des Nordens,
ergibt ein Meer, temperiert von Tränen.
Wenn die Straße so gerade ist,
Eis an beiden Seiten,
keine Wolke, um sich
am Mittagshimmel in diesem
einheitlichen Blau zu orientieren
berühre ich die Unendlichkeit.
Wir sind wirklich bei den Nordmännern,
die trinken, bis sie den Kopf verlieren
und dabei tanzen wie die Irren.
Sie werfen Zoten in den Himmel,
vor Staunen, dass sie allein sind,
auf dieser großen Weite aus Eis.
Es ist, als führe ich
durch eines dieser billigen
Bilder, die über dem
Kamin hängen.
Landschaft mit Landschaft im
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