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Das Gesamtwerk

Das Gesamtwerk

Titel: Das Gesamtwerk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Borchert
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durcheinander)
    SCHWIEGERSOHN: Halt die Lampe fest!
    TOCHTER: Hilfe. Das Licht ist aus! Mutter hat die Lampe umgestoßen!
    OBERST: Ruhig, Kinder!
    MUTTER: Macht doch mal Licht!
    SCHWIEGERSOHN: Wo ist denn die Lampe?
    OBERST: Da. Da ist sie doch schon.
    MUTTER: Gott sei Dank, daß wieder Licht ist.
    SCHWIEGERSOHN: Und der Kerl ist weg. Sah mir gleich nicht ganz einwandfrei aus, der Bruder.
    TOCHTER: Eins, zwei, drei – vier. Nein, es ist alles noch da. Nur der Aufschnitt-Teller ist zerbrochen.
    OBERST: Zum Donnerwetter ja, worauf hatte er es denn abgesehen?
    SCHWIEGERSOHN: Vielleicht war er wirklich bloß blöde.
    TOCHTER: Nein, seht Ihr? Die Rumflasche fehlt.
    MUTTER: Gott, Vater, dein schöner Rum!
    TOCHTER: Und das halbe Brot – ist auch weg!
    OBERST: Was, das Brot?
    MUTTER: Das Brot hat er mitgenommen? Ja, was will er denn mit dem Brot?
    SCHWIEGERSOHN: Vielleicht will er das essen. Oder versetzen. Diese Kreise schrecken ja vor nichts zurück.
    TOCHTER: Ja, vielleicht will er das essen.
    MUTTER: Ja, aber – aber das trockene Brot?
    (Eine Tür kreischt und schlägt zu)
    BECKMANN
(wieder auf der Straße. Eine Flasche gluckert)
: Die Leute haben recht
(wird zunehmend betrunken).
Prost, der wärmt. Nein, die Leute haben recht. Prost. Sollen wir uns hinstellen und um die Toten trauern, wo er uns selbst dicht auf dem Nacken sitzt? Die Leute haben recht! Die Toten wachsen uns über den Kopf. Gestern zehn Millionen. Heute sind es schon dreißig. Morgen kommt einer und sprengt einen ganzen Erdteil in die Luft. Nächste Woche erfindet einer den Mord aller in sieben Sekunden mit zehn Gramm Gift. Sollen wir trauern!? Prost, ich hab das dunkle Gefühl, daß wir uns bei Zeiten nach einem anderen Planeten umsehen müssen. Prost! Die Leute haben recht. Ich geh zum Zirkus. Die haben ja recht, Mensch.Der Oberst hat sich halb tot gelacht! Er sagt, ich müßte so auf die Bühne. Humpelnd, mit dem Mantel, mit der Visage, mit der Brille in der Visage und mit der Bürste auf dem Kopf. Der Oberst hat recht, die Menschheit lacht sich kaputt! Prost. Es lebe der Oberst! Der hat mir das Leben gerettet. Heil, Herr Oberst! Prost, es lebe das Blut! Es lebe das Gelächter über die Toten! Ich geh zum Zirkus, die Leute lachen sich kaputt, wenn es recht grausig hergeht, mit Blut und vielen Toten. Komm, glucker nochmal aus der Buddel, prost. Der Schnaps hat mir das Leben gerettet, mein Verstand ist ersoffen! Prost!
(großartig und besoffen)
Wer Schnaps hat oder ein Bett oder ein Mädchen, der träume seinen letzten Traum! Morgen kann es schon zu spät sein! Der baue sich aus seinem Traum eine Arche Noah und segel saufend und singend über das Entsetzliche rüber in die ewige Finsternis. Die andern ersaufen in Angst und Verzweiflung! Wer Schnaps hat, ist gerettet! Prost! Es lebe der blutige Oberst! Es lebe die Verantwortung! Heil! Ich gehe zum Zirkus! Es lebe der Zirkus! Der ganze große Zirkus!

    4. Szene

    (Ein Zimmer. Der Direktor eines Kabaretts. Beckmann, noch leicht angetrunken.)

    DIREKTOR
(sehr überzeugt)
: Sehen Sie, gerade in der Kunst brauchen wir wieder eine Jugend, die zu allen Problemen aktiv Stellung nimmt. Eine mutige, nüchterne –
    BECKMANN
(vor sich hin)
: Nüchtern, ja ganz nüchtern muß sie sein.
    DIREKTOR: – revolutionäre Jugend. Wir brauchen einen Geist wie Schiller, der mit zwanzig seine Räuber machte. Wir brauchen einen Grabbe, einen Heinrich Heine! So einen genialen angreifenden Geist haben wir nötig! Eine unromantische, wirklichkeitsnahe und handfeste Jugend, die den dunklen Seiten des Lebens gefaßt ins Auge sieht, unsentimental, objektiv, überlegen. Junge Menschen brauchen wir, eine Generation, die die Welt sieht und liebt, wie sie ist. Die die Wahrheit hochhält, Pläne hat, Ideen hat. Das brauchen keine tiefgründigen Weisheiten zu sein. Um Gottes willen nichts Vollendetes, Reifes und Abgeklärtes. Das soll ein Schrei sein, ein Aufschrei ihrer Herzen. Frage, Hoffnung, Hunger!
    BECKMANN
(für sich)
: Hunger, ja, den haben wir.
    DIREKTOR: Aber jung muß diese Jugend sein, leidenschaftlich und mutig. Gerade in der Kunst! Sehen Sie mich an: Ich stand als Siebzehnjähriger auf den Brettern des Kabaretts und habe dem Spießer die Zähne gezeigt und ihm die Zigarre verdorben. Was uns fehlt, das sind die Avantgardisten, die das graue lebendige leidvolle Gesicht unserer Zeit präsentieren!
    BECKMANN
(für sich)
: Ja, ja: Immer wieder präsentieren. Gesichter,Gewehre, Gespenster. Irgendwas wird immer

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