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Das Geschenk der Wölfe

Das Geschenk der Wölfe

Titel: Das Geschenk der Wölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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wichtigste Augenzeugin der letzten Wolfsmenschen-Attacke im Mendocino County und wurde von Talkshow zu Talkshow gereicht, wo sie die Öffentlichkeit mit vernünftigen Argumenten davon zu überzeugen versuchte, diese bedauernswerte Kreatur trage einen schrecklichen Geburtsfehler mit sich herum oder sei kurz nach der Geburt auf tragische Weise erkrankt und seither missgebildet und geistig zurückgeblieben. Bestimmt werde sie bald eingefangen, interniert und dann in die Obhut von Fachärzten gegeben, die sie angemessen behandeln könnten.
    Immer wieder kamen Ermittler der Staatsanwaltschaft, des FBI und der Polizei von San Francisco nach Kap Nideck, um Stuart und Reuben zu befragen, weil sie diejenigen waren, die aus bislang unerfindlichen Gründen mehrfach Kontakt mit der Bestie gehabt hatten.
    Diese Gespräche waren schwierig für die beiden, weil sie keine guten Lügner waren. Sie versuchten ihre Antworten so knapp wie möglich zu halten und murmelten ab und zu etwas Unverständliches vor sich hin, bis die Ermittler sie für überfordert hielten und wieder abzogen.
    Reuben schrieb eine ausführliche Reportage für den
San Francisco Observer
, in der er seine früheren Artikel verarbeitete und die jüngste Attacke des Wolfsmenschen anschaulich schilderte. Seine Schlussfolgerungen waren nicht überraschend: Der Wolfsmensch sei kein Superheld und die allgemeine Glorifizierung durch seine Fangemeinde müsse ein Ende haben. Er endete mit den Fragen, die dadurch aufgeworfen würden: Warum waren viele bereit, eine so hemmungslos brutale Kreatur zu feiern? War ihre Reaktion ein Rückfall in eine Zeit, als der Mensch selber noch brutal und unzivilisiert war?
    In der Zwischenzeit war die Bestie wieder in Mexiko aufgetaucht, weit von der amerikanischen Grenze entfernt. In Acapulco hatte sie einen Mörder erschlagen, aber seither hatte man nichts mehr von ihr gehört.
    Frank Vandover, das hochgewachsene schwarzhaarige Morphenkind mit der auffallend hellen Haut und dem hübschen Mund, und der nordische Riese Sergej Gorlagon waren nach Kap Nideck zurückgekehrt und unterhielten die anderen mit humorvollen Schilderungen darüber, wie sie Polizei und Augenzeugen mit ihrem Abstecher in den Süden zum Narren gehalten hatten. Frank war der modernste der vornehmen Gentlemen, ein sprücheklopfender Amerikaner mit einem Hauch von Hollywood. Er liebte es, Reuben wegen seiner ersten zügellosen Wolfsnächte aufzuziehen und Stuart das Haar zu zerzausen. Er bezeichnete die beiden als «Wunderwelpen» und hätte sie gern zu einem Wettrennen im Wald herausgefordert, wäre Margon nicht strikt dagegen gewesen.
    Sergej war ein wahrer Gelehrter mit weißem Haar, buschigen weißen Augenbrauen und klugen blauen Augen. Seine tiefe Stimme ähnelte der von Thibault. Wenn er mit Laura und Reuben zusammensaß, dozierte er gern über den seiner Meinung nach brillanten und prophetischen Teilhard de Chardin, denn seine wahre Leidenschaft waren Theologie und Philosophie.
    Es war unmöglich, das Alter dieser Männer zu schätzen, und Reuben fand es unhöflich, direkt danach zu fragen.
    Bei Tisch oder wenn sie nur so zusammensaßen, fiel früher oder später mindestens einer der Gentlemen in eine andere Sprache, offenbar ohne es zu merken. Reuben war davon nicht nur deshalb fasziniert, weil diese Sprache nicht im Entferntesten an eine der ihm bekannten erinnerte.
    Wenn Margon und Felix allein waren, unterhielten sie sich fast immer in dieser Sprache. Reuben fragte sich, ob alle Morphenkinder sie sprachen, aber auch danach traute er sich nicht zu fragen, solange die Älteren nicht von selbst darauf zu sprechen kamen. Das Gleiche galt für ihre Geburtsorte und die Geheimschrift in Felix’ Tagebüchern und Briefen.
    Genau wie Stuart wollte auch er gern wissen, woher die Begriffe «Morphenkinder» und «Morphengeschenk» stammten. Aber auch das würde mit der Zeit alles zur Sprache kommen.
    Oft bildeten sich Zweiergrüppchen. Reuben war meist mit Laura oder Felix zusammen. Auch Laura war gern in Felix’ Gesellschaft. Stuart himmelte Margon an und wäre am liebsten die ganze Zeit in seiner Nähe gewesen. Manchmal schien es sogar, als habe er sich in ihn verliebt. Frank und Sergej gingen oft zusammen nach draußen. Nur Thibault schien keinen Favoriten zu haben, sondern war mal mit dem einen, mal mit dem anderen zusammen oder blieb für sich. Laura hatte ihn sehr gern und er sie. Aber damit stand er nicht allein, denn alle mochten sie. Mit Thibault aber ging sie oft

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