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Das geschenkte Gesicht

Das geschenkte Gesicht

Titel: Das geschenkte Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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wiedererlangt. Aber jetzt scheint er zu schlafen. Die Wirkung der letzten Injektion …«
    Schwabe fühlte, wie man seine Hand betastete. Warme, weiche Finger nahmen sie hoch, ein paar Zentimeter, und ließen sie auf die Bettdecke zurückfallen.
    »Er schläft.« Die dunkle Stimme, der Stabsarzt. »Wenn er wieder aufwacht, rufen Sie mich sofort.«
    »Jawohl, Herr Stabsarzt.«
    »Hat er was gesagt?«
    »Ja, aber ich konnte nichts verstehen, Herr Stabsarzt.«
    »Kein Wunder. Ohne Mund und Lippen …«
    In Schwabe kroch es eiskalt hoch. Bis unter seine Hirnschale zog die Kälte und ließ den Körper erstarren. Das ist doch nicht wahr, schrie es in diese Kälte hinein. Er hörte in sich seine Stimme gellen, vielfach zurückgeworfen wie in einem riesigen, leeren Raum, als sei aus seinem Inneren alles herausgerissen und nur die Hülle sei geblieben, ein Hohlraumkörper, durch den die Stimme irrte.
    »Passen Sie gut auf, wenn er wieder spricht«, sagte der Stabsarzt. »Und sagen Sie ihm nicht, was los ist, verstanden? Er wird es früh genug merken. Morgen kommt er nach Frankfurt/Oder. Bereiten Sie ihn für den Transport vor. Wenn er Glück hat, geht es weiter nach Bernegg.«
    Wieder klappte eine Tür. Schwabe hörte einen neuen Schritt, wieder leise, ohne Nägeldonnern. Noch ein Arzt, dachte er.
    »Na, wie geht's?« Eine hellere, forsche Stimme.
    »Ganz gut, Herr Oberstabsarzt.« Die dunkle Stimme wurde leiser. »Jetzt schläft er wieder, nachdem er kurz bei Besinnung war. Haben Sie etwas erreichen können für ihn?«
    »Nicht viel, Herr Kollege.« Die forsche Stimme gab sich Mühe zu flüstern. »Er wird nach Bernegg kommen. In Bernegg sollen Spezialisten sein, die so etwas hinbiegen. Aber ob der hier jemals wieder wie ein Mensch aussehen wird …«
    »Ein Wunder, daß er noch lebt …« Die dunkle Stimme.
    »Es gibt auch unnütze Wunder …« Die forsche Stimme.
    Dann wieder knarrende Stiefel, ein Türenklappen, das Scharren des zurückgebliebenen Sanitäters, der eine Spritze aufzog, falls Schwabe beim Erwachen große Schmerzen haben sollte. Er legte sie auf einen Zellstofflappen und trank einen Schluck Milchkaffee, den er sich zur Wache mitgebracht hatte.
    Erich Schwabe schloß unter den Verbänden wieder die Augen. Die Kälte war von ihm gewichen, aber es war ihm, als greife eine ganz langsame Lähmung an sein Herz und setze es still.
    Er hat keinen Mund und keine Lippen mehr … ob Schwabe jemals wieder wie ein Mensch aussehen wird … es gibt auch unnütze Wunder … Was war mit seinem Gesicht …
    Die Hände Schwabes zuckten hoch. Ehe der Sanitäter seine Tasse mit Milchkaffee absetzen und hinzuspringen konnte, hatte Schwabe seinen Kopf umfaßt und glitt mit den Fingern über die Verbände, unter denen sein Gesicht lag. Er stieß an die Sonde, er fühlte die Klebrigkeit der Mullbinden, und er spürte die Ebenheit seines Kopfes, die Konturlosigkeit seines Gesichtes. Seine Finger krallten sich in die blutigen Verbände, als wollten sie sie abreißen.
    Kein Gesicht mehr, kein Gesicht mehr! schrie es in Schwabe. Ich habe kein Gesicht mehr! Herrgott, Herrgott, laß mich sterben … was soll ich denn ohne Gesicht …
    »Himmel, Arsch und Zwirn!« schimpfte der Sanitäter. Er schlug auf die in die Verbände verkrallten Finger Schwabes und riß sie endlich zurück, als nach dem Krampf der Erregung die völlige Erschlaffung über den Verletzten kam.
    »Bist du denn ganz verrückt geworden? Verbände abreißen! Wenn du das noch mal versuchst, binden wir dir die Hände am Bett fest, verstanden?«
    Erich Schwabe lag ganz still. Die Worte des Sanis hörte er zwar als Laute, aber er verstand nicht den Sinn.
    Ursula, dachte er. Arme, kleine, hübsche Ursula. Wie oft haben wir uns gesehen, seit wir verheiratet sind? Viermal … genau viermal. Einmal vierzehn Tage, zweimal neun Tage und zuletzt zehn Tage. Das sind zusammen 42 Tage. Einen und einen halben Monat … in fünf Jahren … Und wie glücklich waren wir in diesen 42 Tagen und 42 Nächten. Glücklicher, als seien es die ganzen fünf Jahre gewesen.
    Weißt du noch, Ursula … bei meinem ersten Urlaub 1941? Es war im Sommer, und wir fuhren zu deiner Tante nach Heringsdorf an die Ostsee. Dort habe ich zum erstenmal gesegelt, mit dir allein in einem kleinen, schmalen Boot, und du hattest solche Angst, als uns der Wind immer weiter von der Küste trieb und schließlich nur noch ein dünner, heller Streifen am Horizont blieb. Du lagst damals vor mir im Boot, und der Schatten des

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