Lady Marmelade
©Frieda Lamberti
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Cover: istock/Lamberti
2013
1. Auflage
[email protected] Sämtliche Handlungen und Figuren in diesem Roman sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen und Ereignissen wären rein zufällig.
Inhaltsverzeichnis
Charlotte
Julian
Martin
Buche
O.J.
Hugo
Anja
Larissa
Elias und Valentin
Nikolaus
Charlotte
Mit Anfang zwanzig wünschte ich mir nichts sehnlicher, als dass mein Baby gesund zu Welt kommt. Jens, mein frisch angetrauter und deutlich älterer Ehemann, war bei der Geburt unseres einzigen Sohnes nicht dabei. Er lenkte als Kapitän einen Frachter durch das Marmarameer, während ich laut schreiend in den Presswehen lag. Weder zur Taufe noch zur Blinddarm oder Augenoperation unseres Kindes war er anwesend. Auch zur Einschulung begleitete ich unseren Junior allein. Jens Aufenthalte beschränkten sich auf Urlaube um Weihnachten herum und die Ferien im Sommer. Wir führten eher eine Brieffreundschaft als eine Ehe. Im Alter von dreißig dachte ich das erste Mal ernsthaft über eine Trennung nach. »Warum Lotte?«, wollte meine Freundin Anja von mir wissen. »Das Einzige was sich ändern würde, wäre deine Steuerklasse. Dein Oller ist eh nie da. Also was soll’s? Leb dein Leben und mach das Beste daraus. Du bist ein gutversorgter, verheirateter Single mit Anhang. Du musst nur endlich einmal dein Schneckenhaus verlassen!« Ich befolgte ihren Rat und suchte mir nach Jahren einen Vollzeit Job. Anfang der neunziger Jahre boomte das Geschäft mit der New Economy und ich bekam eine Anstellung in einem Startup Unternehmen für Computer Software. Als Dreißigjährige gehörte ich dort schon zu den Alten. Meine Vertriebskollegen waren gute fünf bis acht Jahre jünger als ich. Bubis! Unreife Flegel, die im Gegensatz zu mir eine Mörderkohle verdienten. Mein Einkommen war überschaubar. Typisch, denn ich war/bin ja eine Frau. Während sich die faulen Säcke Lutz Buchwald, Ottmar Jensen und Phillip Meininger jeden Monat die Taschen vollsteckten, die Hälfte des Tages nur Zeitung lasen und ab mittags die Korken knallen ließen, telefonierte ich mir die Finger wund und machte einen ansehnlichen Umsatz für unser Vertriebsteam. Ich war mein Geld wert. Das erkannte auch mein Chef, der gleichaltrige Martin Seibert, der das Unternehmen gemeinsam mit Thomas Löhning gründete. Meine Kündigung nach drei Jahren Betriebszugehörigkeit nahm er mit Bedauern entgegen. Seibert war ein großgewachsener Mann, enorm attraktiv und wurde von mir für seine positive Ausstrahlung und seine unvergleichliche Motivationsfähigkeit stets bewundert. Allerdings war er gerade willens, sich mit einer blonden Bitch ins Abenteuer Ehe zu stürzen und eine Familie zu gründen. Mit dieser Entscheidung sank meine Achtung für ihn in den Keller. Was für ein Fehlgriff, dachte ich bei mir. Es war doch offensichtlich, dass die beiden nicht zusammenpassten. Mein geheimer Held, mein Vorbild, mein Idol hatte von jetzt auf sofort seine inspirierende Magie verloren. Auch seine Versuche, mich umzustimmen, fruchteten nicht mehr. Vor mir stand ein hoffnungslos naiver Beau, den ich auf direktem Weg in sein Unglück rennen sah.
»Bitte überlegen Sie es sich doch noch einmal, Frau Talbach. Ich denke, dass wir Sie im nächsten Jahr bestimmt befördern können. Sie sind so ambitioniert und ich brauche Sie doch, um meine Lämmer in Schach zu halten.«
Bitte überlegen Sie es sich lieber nochmal! Ich denke, dass Sie in spätestens zwei Jahren wieder geschieden sind! Eine solche Entscheidung trifft man doch nicht mit dem Schwanz. Meine Güte, Seibert! Wo ist nur dein messerscharfer Verstand geblieben?, dachte ich, sagte aber »Danke für die Blumen. Aber meine berufliche Zukunft stelle ich mir anders vor, als hier auf Dauer den Hütehund für Ihre Jungtiere zu mimen.« Ich gab meinen Kollegen noch einen aus und verabschiedete mich, wenn auch ein wenig wehmütig aus der chaotischen IT Welt und machte mich als Beraterin selbstständig.
Das Platzen der Dotcom Blase Anfang 2000 hatte auch für mein Unternehmen schwerwiegende Folgen. Ich musste kurz darauf schließen. Finanziell und gesundheitlich angeschlagen feierte ich meinen vierzigsten Geburtstag, als Jens mich mit einer Bitte überraschte. Der Bitte um die Scheidung. So hatte er sich das Leben an meiner Seite nicht vorgestellt. Ich teilte seine Ansicht und sagte ohne Umschweife »Dito« und erfüllte ihm seinen