Das Geschwärzte Medaillon (Seelenseher-Trilogie) (German Edition)
der immerzu einen weißen Schleier trug. Es dauerte nicht lange, bis unsere Klamotten wirklich nass waren. Sie klebten unangenehm am Körper und verstärkten nur das Gefühl der Kälte. Es war nur gut, dass unsere Rucksäcke wettergeprüft waren und zumindest die Kleidung darin nicht vor Wasser triefte. Als ich wieder einmal auf mein Handy sah, waren bereits sechs Stunden vergangen. Keira und ich schoben uns immer weiter durch die enger werdende Spalte. Bald würden wir an die Stelle kommen, wo ich das erste Mal auf Keiras Wächter traf. Realdin hatte sich mit seinen mächtigen Flügeln auf den Boden herabgelassen und mich empfangen wie ein König. Ich verlor mich für einen Moment in der Erinnerung und sah mich im Geiste wieder vor ihm stehen. Verwirrt, verunsichert und alleine.
»Was ist das?«, kam Keiras Frage, die durch einen deutenden Finger begleitet wurde. Ich kniff die Augen zusammen und versuchte in dem dichten Nebel etwas zu erkennen. Unwillkürlich fing ich an zu lächeln, was mir einen skeptischen Blick von Keira einbrachte.
»Was grinst du so?«, sie klang verärgert, als dachte sie, ich würde sie auslachen. Dieser Gedanke brachte mich nur noch mehr zum Grinsen. Manchmal konnte Keira genauso schwer von Begriff sein wie ich.
»Also, eigentlich müsstest du als Schützerin ahnen, was das ist.«
Sie sah mich verständnislos an, dann flackerte etwas in ihren Augen, als sich die Schatten im Nebel bewegten. Ihre Hand fuhr zu einem der Griffe der Schwerter. Es war die Schützerin, die ich so eben in ihren Augen gesehen hatte. Ich griff nach ihrer Hand und hielt sie zurück. Es war ohnehin unmöglich hier ein Schwert zu ziehen. Sie würde uns noch eher verletzten, als irgendetwas anderes zu erreichen.
»Nicht«, flüsterte ich besänftigend. Als Antwort funkelte sie mich an. Es war unmöglich einen Schützer zu kontrollieren, wenn er auch nur die Möglichkeit von Gefahr sah. Keira erstarrte, als eine tiefe, majestätische Stimme durch den Nebel zu uns herüber rollte.
»Es ist mir eine Ehre, Euch, Keira Kanterra, endlich gegenüberzustehen. Ihr habt einen ungewöhnlich starken Geist und Fähigkeiten, wie ich sie bei keinem eurer Vorfahren gesehen habe.«
Keiras Hand entspannte sich unweigerlich und ihr Blick wanderte ungläubig zu mir. Ich nickte nur und bedeutete ihr mit meinen Augen, dass sie weitergehen sollte. Es freute mich, dass Keira ihren eigenen Wächter kennenlernte. Wie sie hatte auch er mir schon das Leben gerettet. Es war unbestreitbar, dass die Alverras und Kanterras magisch miteinander verbunden waren. Mit jedem weiteren Schritt, den wir taten, wurden die nebligen Schatten immer größer und gewannen zusehends an Form und Farbe. Die Stimme, die eben noch körperlos gewesen war, hatte jetzt einen deutlichen Ursprung. Realdin saß mit angelegten Flügeln vor uns. Sein Federkleid war benetzt von Wasserperlen. An seinen Seiten saßen zwei weitere Adler. Sie waren kleiner, aber nicht minder beeindruckend. Ihre krummen Schnäbel waren ehrfurchtsvoll zum Boden gesenkt und ihre Augen ruhten auf ihrem König. Keira hatte sich inzwischen an mir vorbei geschoben. Sie stand nun vor Realdin und sah ihn einfach nur an. Ihre Blicke schienen sich für eine Ewigkeit nicht zu trennen. Es war, als könnte man das magische Band zwischen ihr und dem majestätischen Adler förmlich sehen. Es war, als würde die Welt sich für einen winzigen Moment langsamer drehen, als Keira ihre rechte Hand ausstreckte und auf Realdins Schnabel legte. Der Adler schloss bei ihrer Berührung die Augen. Es war ein stummes Erkennen, als wären sie sich schon einmal begegnet und würden sich nun auf vertraute Weise begrüßen. Je länger die Berührung anhielt umso weiter beugte Realdin sich zum Boden. Ich wollte gerade meinen Mund aufmachen, um Realdin nun langsam auch zu begrüßen, als eine weitere Gestalt meinen Blick auf sich zog. Es war kein Adler. Es schien viel mehr, als würde die Gestalt sich gebückt anschleichen. Leise und unbemerkt. Ich musste nicht raten, um zu wissen, wer dort kam oder was es war. Für mich war es so klar, dass es schien, als würde kein Blick die Herannahende verbergen. Und dennoch war es beeindruckend, als sich der Nebel zur Seite schob und die Sicht auf Sebilia freigab. Ihre Schultern hoben und senkten sich in einem perfekten Rhythmus und ihr Fell schimmerte mit Wassertropfen. Es war ein helles Creme, das an keiner Stelle eine ungleichmäßige Färbung aufwies. Sie war, wie Realdin, das perfekte
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