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Das Gesetz des Irrsinns

Das Gesetz des Irrsinns

Titel: Das Gesetz des Irrsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Kühn
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Geräusche, hörbares Zermalmen, Zermahlen.
    Endlich mal wurde der Tiger deutlich sichtbar auf dem zerfleischten Zebuochsen, die Muskete wurde gezündet, ich traf! Doch der Tiger, angeschossen, entkam. Wir konnten ihm nicht folgen vor der Morgendämmerung, das wäre zu gefährlich gewesen, das waidwunde Tier hätte einen von uns anfallen können oder beide, also machte der Shikari ein Feuer. Kleine Stärkung. Sobald es heller wurde, folgten wir der Spur des angeschossnen Tigers – sein »Schweiß« blasig an Blättern und Gräsern. Stundenlang die Pirsch, wir arbeiteten uns vor durch Dorngestrüpp, die Hände blutig geschrammt, die Gesichter geschwollen von zahllosen Mückenstichen; Hunger, Durst und Erschöpfung, beherrschend aber der Gedanke: den waidwunden Tiger aufspüren!
    Und wir fanden ihn, abgerutscht an einer Hügelflanke, in die er seine Krallenpranken geschlagen hatte; so lag er dahingestreckt, verendet, ein Königstiger von acht Fuß Länge. Triumphgefühl trotz aller Erschöpfung. Und das Gelöbnis: Dies soll nicht der letzte Tiger sein. Ja, ich hatte Tigerblut geleckt!
    Napoleon, der sich bestens unterhalten fühlte, spendete Beifall und befahl eine Fortsetzung. Also ließ ich einen zweiten Tiger los. Und in den Kronen größerer Bäume der Hochfläche gaben englische Soldaten durch gelegentliches Aufblinken der Teleskopgläser im Sonnenlicht ihre Anwesenheit unfreiwillig zu erkennen. Der optische Telegraph, an geeigneter Stelle postiert, gab zum Dienstsitz des Sir Hudson Lowe durch: Der Fremde lässt eine Fortsetzung folgen. Zweimal strich, quasi zufällig, ein sicherlich sprachkundiger Offizier durchs Gelände, um sich davon zu überzeugen, dass von Konspiration nicht die Rede war. Auch er verharrte, sichtlich gebannt. Und Napoleon betupfte, in der Hör-Erregung stärker schwitzend, Achseln und Stirn mit Altonaer Eau de Cologne.

    Zurück nach Altona! Da ich nicht davon ausgehen kann, werte Herren der Schillerstiftung, dass Ihnen mein bisheriges Gesamtwerk in vollem Umfang gegenwärtig ist, darf ich Ihnen (komprimierte) Wiedergaben aus einem meiner Opernlibretti vorlegen.
    Da ich mich wohl hinreichend als Musiker ausgewiesen habe, ebenso als Komponist, werden Sie fragen, warum ich nicht einfach die Partitur vorlege. Nun, ich habe mein Libretto nicht selbst vertont. Ich bin eher Komponist von Liedern. Sie werden kaum eine Vorstellung davon haben, welch eine astronomische Zahl von Noten der Komponist einer Oper niederschreiben muss. So habe ich es Friedemann Bach angeboten – er hat abgewinkt. Habe es meinem Freund Franz Xaver Mozart vorgelegt – er erklärte daraufhin, sein Vater hätte sicherlich genügend Opern geschrieben, dem müsse er als Sohn nicht nacheifern.
    Und Robert Schumann, mit dem ich in Freundschaft verbunden war? Für ihn war ich einer der Beiträger seiner Zeitschrift, darauf war sein Blick verengt. Und es trübte unsere Beziehung schon mal ein, dass er mir, wie bereits erwähnt, Honorare für Künstlernovellen schuldig blieb, und dies reichlich lang. Sich direkt an ihn zu wenden war aber auch nicht immer leicht. Zuweilen saß er in einem Gasthaus, den schaumlosen Bierkrug vor sich, den Blick über Stunden hinweg starr auf die Wand gerichtet.
    So wandte ich mich wieder einmal an Clara, die ich bewundere, die mich schätzt, sonst hätte sie nicht eins meiner Gedichte vertont. Vielleicht ging ich etwas zu direkt vor in diesem Gespräch; in vertraulichem Tonfall gab ich zu erkennen, dass ich Roberts Projekt
Das Paradies und die Peri
für allzu abgehoben hielte, dass es sehr viel erfolgversprechender sein dürfte, mein fulminantes Libretto zu vertonen. Daraufhin Clara: Mein Lieber, ich werde schaun, was sich machen lässt, aber ich fürchte, ich werde hier bei Robert auf taube Ohren stoßen.
    Wenn nicht Bach junior, wenn nicht Mozart junior (beide wohl allzu sehr belastet von den Namen ihrer Väter), wenn nicht der bockige Schumann, so wenigstens Joseph (Giuseppe) Rastrelli, Hofkirchen-Komponist zu Dresden; er hat sich fest vorgenommen, mein Libretto zu vertonen.
    Ich darf es in gebotener Kürze skizzieren. Das Vorspiel bloß erwähnend, lenke ich Ihren Blick in einen repräsentativen Raum eines Palazzos in Florenz, in der glanzvollen Ära der Renaissance. Gäste haben sich eingefunden, illustre Gäste, entsprechend opulent kostümiert. Auftritt des Hausherrn Francesco Giocondo: schwerreicher Perlen- und Diamantenhändler, Ehemann der Mona Lisa, der Gioconda. Von einigen Gästen wird

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