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Das Gesetz des Irrsinns

Das Gesetz des Irrsinns

Titel: Das Gesetz des Irrsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Kühn
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der Wunsch geäußert (kleine Chornummer), besonders wertvolle Diamanten und Perlen zu sehen, es folgt eine erste Arie: Perla, perla … bello splendore delle perle … splendore opaco delle perle … segreto della perla … miracolo della perla … il mare nella perla … la morte nella perla …
    La morte
– hier stellt sich gleich ein assoziativ passendes, jedoch in eine ganz andere Himmelsrichtung weisendes Stichwort ein!

    Wenn auch nicht chronologisch, so doch thematisch folgerichtig: Ich habe später auf St. Helena auch den toten Napoleon gesehen. Dies bei einer Zwischenlandung, und zwar auf der Rückkehr von Deshima. Da Ihnen, werte Herren der Schillerstiftung, Deshima möglicherweise kein Begriff ist, rasch eine Anmerkung: Eine vor Nagasaki aufgeschüttete Insel, weil die Stadt von Fremden nicht betreten werden darf; kahle Insel mit kleinen Holzhäusern; die Angestellten der Handelscompagnien werden von Japanern ständig kontrolliert, ja eigentlich bewacht; nur Japaner dürfen Waren vom Umschlagplatz aufs Festland transportieren; Dienst auf Deshima lässt sich kaum von Inhaftierung unterscheiden. Und der Heimweg acht bis neun Monate lang; dabei verlieren viele, von Scharbock, von Skorbut befallen, nicht nur ihre Zähne, auch ihr Leben. Auch dies als Stichwort für eine bewegende Erfahrung.
    Der Leichnam Napoleons auf dem eisernen Feldbett, das ihn auf fast all seinen Feldzügen begleitet hatte. Auf dem Gestell ausgebreitet sein Militärmantel; darauf der Tote in voller Uniform – grün mit roten Aufschlägen, Orden auf der Brust, Degen an der Seite, Sporen an den Reitstiefeln; der Dreispitz mit schwarzer Schleife und einer Kokarde in den Farben der Trikolore am Kopfende abgelegt.
    Ich war, als einer der früheren Besucher, still geduldet, mit Graf Bertrand, einem Priester und einem Diener längere Zeit allein im Raum der Aufbahrung. Bertrand, ganz in Schwarz, verharrte reglos zu Häupten des Toten; der Priester murmelte Gebete; der Diener, am Feldbett kniend, scheuchte Fliegen von der Leiche. Die Stille im Raum betont vom Huschen der Ratten unter dem Holzboden, vom Summen der Fliegen, vom Blattgeraschel des Passatwinds, der fast ständig über Bergsattel und Landhaus hinwegstrich. Der Graf verließ zwischendurch den Raum. Der Priester wurde in seinem Gemurmel immer leiser. Der Diener bat mich, ihn kurz mal abzulösen – das habe ich dankbar übernommen. Ich rückte vor in unmittelbare Nähe des Verstorbenen, betrachtete die sehr weißen, ausgekühlten Hände, vor allem die rechte: Wie viele Fürsten und Könige hatten den Handrücken geküsst, wie oft hatte diese Hand Truppen in Marsch gesetzt, richtungsweisend, wie oft hatte sie Zeichen gegeben für taktische Manöver in Schlachten, die zum Siege führten … Ich berührte die Hand erst zögerlich mit den Fingerspitzen, legte zuletzt die Handfläche auf seinen Handrücken. Verharrte so.
    Die Stille nun erst recht als Totenstille. Weil sich so etwas auf Dauer kaum ertragen lässt, begann ich dem Leichnam zu berichten, was mir unter diesen Umständen passend schien: Ein anderer Mächtiger, der König von Candi, genoss auf Ceylon hohe, ja höchste Verehrung, dies auch im westlichen Küstenbereich, weil er eine besonders kostbare Reliquie hütete: einen Zahn von Gautama Buddha. Vier Zähne, so berichtete ich erst halblaut, dann wispernd, vier Zähne wurden aus der Asche des feuerbestatteten Buddha geborgen; zwei von ihnen gingen im weiteren Verlauf der Weltgeschichte verloren, einer wurde von Raja Singha übernommen. Portugiesen allerdings raubten diesen Zahn, als er noch in der Küstenstadt Kotte verehrt wurde; sie überbrachten den Raub dem Erzbischof von Goa, der ließ die heidnische Reliquie zertrampeln und anschließend verbrennen. Doch was da vernichtet worden war, soll nur eine Fälschung gewesen sein; die wahre Reliquie fand sichere Bleibe im Tempel des heiligen Zahns, den ein Vorgänger des Herrschers hatte errichten lassen. Einmal im Jahr wird, unter dem Patronat des gegenwärtig regierenden Raja Singha, von einem über und über mit Gold geschmückten Elefanten die kostbare Reliquie durch die Bergstadt getragen.
    Und ich verstummte in der Überlegung, ob ich dem Leichnam nicht rasch einen vielleicht schon gelockerten Zahn ziehen und den als Reliquie mitnehmen sollte. Da hätte man mich endlich beneidet und bewundert.

    Zeitweilig sah man in mir Hoffmanns Doppelgänger. Ich gestehe, ich habe in der Hinsicht zuweilen nachgeholfen: Setzte mir eine

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