Das Gewicht der Liebe
Ende der Stadt in einem Labor mit Blick auf den Pazifik arbeitete.
Anwalt David Cabot und Simone betraten den Gerichts saal und nahmen ihre Plätze am Anwaltstisch ein. Cabot war Johnnys erste Wahl als Verteidiger für Simone gewesen. Als ehemaliger Quarterback bei den San Diego Chargers hatte er nicht besonders viele Spiele gewonnen, aber dafür umso mehr Bewunderung für seine Führer qualitäten und seinen Charakter errungen. Seine Gewinn-Verlust-Statistik war bei Gericht besser als im Football. Er hatte sich durch die Verteidigung von kontroversen Fällen einen Namen gemacht, und Simones Fall fiel definitiv in diese Kategorie.
Neben Cabot saß Simone: klein und dünn, der Rücken so schmal wie der eines Kindes, konservativ gekleidet in ein schwarz-weißes Wollkleid mit passender Jacke und solidem Schuhwerk, in dem sie durch die Cowles Mountains wandern könnte. An den Ohren trug sie die silbernen Türkisstecker, die Johnny ihr zur Verlobung geschenkt hatte. Wie beabsichtigt wirkte sie sanft und ruhig, zu lieb, um ein Verbrechen zu begehen, das über regelwidriges Überqueren einer Straße hinausginge.
Die Gespräche in den Zuschauerreihen verstummten, als die Geschworenen eintraten und ihre Plätze einnahmen. Einer von ihnen, ein Collegestudent, riskierte einen Seitenblick auf Simone, aber die anderen richteten ihre Blicke quer durch den Gerichtssaal hindurch auf die gegenüberliegende Wand mit den regengepeitschten Fenstern. Unter den zwölf Geschworenen befanden sich zwei Hispanic-Frauen Mitte zwanzig, eine davon ebenfalls eine College studentin; drei Männer und eine Frau, die alle Akademiker im Ruhestand waren; eine vietnamesische Handpflegerin; und eine Schwarze mittleren Alters, die Miteigentümerin eines Copyshops war. Roxanne suchte in den Gesichtern nach Anzeichen von Intelligenz, Toleranz und Lebensweisheit, doch alles, was sie sah, war eine Auswahl ganz norma ler Bürger von San Diego. Um wahrhaft über Simone rich ten zu können, müsste wenigstens einer der Geschworenen depressiv sein, einer sagenhaft reich und einer pathologisch hilflos.
Mögen sie einfach gute Menschen sein, betete Roxanne. Gut und sensibel und klar denkend. Mögen sie ehrlich sein. Mögen sie ins Innere meiner Schwester blicken und erkennen, dass sie kein Monster ist.
2
August 1977
R oxannes Mommy sagte, sie würden mit dem Auto eine lange Reise machen und dass es ein Abenteuer werden würde, aber sie sagte nicht, wohin sie fahren oder wie lange sie wegbleiben würden. Als Roxanne Fragen stellte, ging sie einfach weg, setzte sich an den Küchentisch und rauchte Zigaretten.
In weniger als zwei Wochen sollte Roxanne in Mrs. Enos Klasse in der Logan Hills Grundschule in San Diego eingeschult werden, und sie wollte zu Hause bleiben und sich darauf vorbereiten. Mrs. Enos Klassenzimmer befand sich am Rand des Spielplatzes in einer Baracke, die nicht den Anschein erweckte, als sei sie jemals gestrichen worden. Mommy bezeichnete das Gebäude als windige Bruchbude, die noch aus der Zeit stamme, als Jesus Christus Windeln getragen habe. Roxanne wusste nicht, wer Jesus Christus war, aber sie mochte das Klassenzimmer, weil es wie ein Klubhaus aussah und die Tür sich direkt zum Spielplatz hinaus öffnete. Es kümmerte sie nicht, dass es auf dem Spielplatz keine Bäume und kaum irgendeine Vorrichtung zum Klettern oder Schaukeln gab oder dass im Schulhaus Mäuse und schwarz schimmernde Kakerlaken herumliefen, weil sie in der ersten Klasse etwas über Zahlen lernen würde.
Sie war bereits eine gute Leserin. Ihre Mutter und Mrs. Edison sagten, es sei direkt unheimlich, wie sie sich das alles selbst beigebracht habe. Sie fragten sie, wie sie das gemacht habe, doch sie konnte ihnen keine Antwort da rauf geben. Sie achtete einfach auf Wörter, wie jene, die in Mrs. Edisons Kochbuch standen, und auf den Klang, der sie begleitete, bis die Schnörkel auf der Seite irgendwann einen Sinn ergaben. Und sie schaute sich bei Mrs. Edison die »Sesamstraße« an. So hatte sie auch gelernt zu zählen und war nun der Meinung, dass doch jeder Dummkopf mit Fingern und Zehen das schaffen konnte.
Wenn Mommy zur Arbeit ging, blieb Roxanne nebenan bei Mrs. Edison, eine sanfte, blonde Frau, die keine eigenen Kinder hatte und dankbar für das kleine Nebeneinkommen war. Sie war es auch, die mit Roxanne zur Grundschule gegangen war, ihr das Klassenzimmer gezeigt und ihr Mrs. Eno vorgestellt hatte. Die Lehrerin war groß und hatte braune Haut und krauses
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