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Das Gift der alten Heimat

Das Gift der alten Heimat

Titel: Das Gift der alten Heimat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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daß er ein noch besseres Bier kennengelernt habe als das hier auf dem Schiff. Und zwar sozusagen direkt an der Quelle – im Münchner Hofbräuhaus.
    John schilderte den Besuch dort, er erzählte von dem Fußballspiel im Olympiastadion und sagte, daß dies eines seiner größten Erlebnisse gewesen sei nach drei Jahrzehnten fußballerischer Abstinenz in Amerika. Aber jetzt freue er sich auch schon wieder auf ein richtiges Baseballspiel.
    Nancy Moosrainer, geborene Woodcock, hörte ihm gern zu, obwohl sie sich für Fußball kaum interessierte. Sie ließ wissen, daß sie in Berchtesgaden zu einer leidenschaftlichen Bergsteigerin geworden sei. Und dabei hörte John ihr gern zu, obwohl nur Wolkenkratzerdächer die Gipfel waren, die er in seinem bisherigen Leben mit dem Lift erklommen hatte.
    Als sich die beiden an diesem Abend trennten, um ihre Kabinen aufzusuchen, mußte sich Johnny Miller zu seiner eigenen Überraschung sagen, daß der Vorsatz zu schweigen, mit dem er sich an diesen Tisch gesetzt hatte, keine Verwirklichung gefunden hatte.
    »Sie sind eine prächtige Gesellschafterin, Mrs. Moosrainer«, sagte Johnny. »Ihnen ist etwas Unerwartetes gelungen.«
    »Was ist mir denn gelungen, Mister Miller?«
    »Mich aufzumuntern. Das hätte ich nicht gedacht.«
    »Ich kann Ihnen Ihr Kompliment zurückgeben: Dasselbe ist Ihnen mit mir geglückt. Und danach hatten Sie mir im ersten Moment auch nicht ausgesehen.«
    Beide lachten.
    An der Tür vor Nancys Kabine, bis zu der John seine neue Bekannte brachte, sagte er: »Mrs. Moosrainer, sind Sie noch Amerikanerin genug, daß ich Sie etwas sehr Amerikanisches fragen darf?«
    »Was denn?«
    »Ob Sie bereit sind, John zu mir zu sagen?«
    »Nur auf Gegenseitigkeit!«
    »Daran soll's nicht scheitern, Nancy.«
    »Gute Nacht, John.«
    »Gute Nacht, Nancy.«
    Ohne es ausgemacht zu haben, trafen sich die beiden am nächsten Morgen schon wieder zum Frühstück. Es war erneut ein Zufall. Weder John gehörte zur Zunft der Langschläfer, noch Nancy; weder er noch sie hatten Lust, sich den Kaffee vom Steward in die Kabine bringen zu lassen. So kam es, daß John gerade am gestrigen Tisch der beiden Platz genommen hatte, als auch Nancy hinzukam und überrascht sagte: »Sie schon?«
    »Dasselbe kann ich auch Sie fragen?« grinste er.
    »Wir müssen aufpassen, daß wir einander nicht auf die Nerven gehen.«
    »Bei mir besteht diese Gefahr nicht, Nancy.«
    »Warten Sie nur«, lachte sie, »bis wir New York erreichen, dann werden Sie glücklich sein, mich aus den Augen zu verlieren.«
    Zum Unterschied von ihr sagte er ernst: »Ganz sicher nicht, Nancy.«
    Ein anderer Steward hatte heute Dienst am Tisch der beiden. Doch auch beim Neuen war etwas zu spüren, das unangebracht war und deshalb Abstriche von seiner Perfektion machte. Und zwar bevorzugte er – wenn auch nur unmerklich – den Herrn und nicht die Dame. Natürlich ging das nicht soweit, daß er etwa dem Herrn zuerst vorgelegt hätte, aber seine Augen hingen einfach mehr an John als an Nancy, um eines Winks von ihm gewärtig zu sein. John merkte das gar nicht, weil er daran seit langer Zeit gewohnt war, aber Nancy fiel es auf, und sie machte sich ihre Gedanken darüber. Zwar war es ihr kein Anlaß, sich zu ärgern, aber Begeisterung löste es in ihr gerade auch nicht aus.
    Beim Mittagessen wurde es ihr aber doch zu bunt. Da kam nämlich der Kapitän selbst an den Tisch, grüßte lächelnd beide, indem er die Hand an die Mütze legte, und fragte dann John: »Zufrieden mit allem, Mister Miller?«
    John bejahte. Der Kapitän setzte seinen Rundgang fort. Nancy blickte ihm nach und sagte: »Ich bin es nicht!«
    »Was sind Sie nicht?« fragte John sie.
    »Nicht zufrieden«, antwortete sie. »Und zwar mit ihm!«
    »Wieso nicht? Über was beklagen Sie sich?«
    »Über sein Benehmen mir gegenüber.«
    Millers Miene verdüsterte sich.
    »Nancy, sagen Sie mir, was er getan hat, und ich werde ihn zur Rede stellen.«
    »Ist Ihnen das nicht selbst aufgefallen?«
    »Mir?« John wurde rot. »Sollte er Sie in meinem Beisein beleidigt haben?«
    »Soeben.«
    John dachte nach und fand nichts.
    »Ich komme nicht drauf«, sagte er.
    Nancy war enttäuscht von John, da er nicht zu wissen schien, was Manieren sind.
    »Er hat Sie gefragt, ob Sie mit allem zufrieden sind«, sagte sie.
    »Ja«, nickte er und kam immer noch nicht auf den Trichter.
    »Mich nicht! Mich ließ er unbeachtet!«
    Endlich fiel der Groschen bei ihm. Es war ihm peinlich, solange dazu gebraucht

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