Das Gift der alten Heimat
betrachtete ihn aus der Nähe. Ein Lächeln blühte auf in ihrem rosigen Gesicht. Aber dann fuhr ihr ein leichter Schreck durch die Glieder, und sie sagte etwas scheinbar Unzusammenhängendes, das Jupp dunkel erschien.
»Mein Konto … ich habe immer noch keines …«
Jupp griff das Stichwort auf, legte es aber nicht ganz richtig aus. Er bedeutete Lenchen, ihm den Scheck zu geben, indem er die Hand danach austreckte, wobei er sagte: »Er muß rasch aufs Konto, da hast du recht. Solche Dinger kann man nicht im Haus rumliegen lassen. Ich will ihn gleich zur Bank bringen.«
Jupps Hand blieb leer. Lenchen zog den Scheck an sich, barg ihn an ihrem Herzen.
»Das mache ich«, sagte sie.
Jupp wunderte sich sehr.
»Wieso du, Magdalena? Du weißt doch noch nicht einmal unsere Nummer auswendig?«
»Aber die meine werde ich in Zukunft wissen, Josef.«
»Was?«
»Ich werde von heute an selbst ein Konto nehmen.«
»Was soll denn das heißen?« gab Jupp einem Erstaunen Ausdruck. »Wer hat dich denn auf diese Schnapsidee gebracht?«
»Dein Bruder Johann.«
»Wann?«
»Schon am ersten Abend, als er hier war.«
Jupp Müller sah seine Frau enttäuscht an.
»Hinter meinem Rücken habt ihr solche Gespräche geführt?« sagte er.
»Du hattest ihm anscheinend einen Schock versetzt mit deinen Vereinen, bei denen du Mitglied bist. Die könnten dir den Verstand rauben, sagte er. Ich brauchte deshalb meine eigene Sicherheit.«
Jupp stemmte sich am Tisch hoch. Es hielt ihn nicht mehr auf seinem Stuhl. Auf Lenchen hinunterblickend, sagte er: »Einen solchen Blödsinn kann er dir doch nur im besoffenen Kopf erzählt haben!«
»Nüchtern war er nicht mehr, nein.«
»Na also.«
»Aber als er darüber« – Lenchen schwenkte den Scheck – »mit Herrn Coco sprach, war er es sicher.«
Jupp schwieg.
»Meinst du nicht auch?« setzte seine Frau herausfordernd hinzu.
Jupp nahm wieder Platz. Sieh dir diesen Gauner an, dachte er. Jetzt wird mir alles klar. Er wollte mir Geld geben, wie den anderen auch, aber ich habe ihm gesagt, daß ich darauf keinen Wert lege. Was macht er daraufhin? Er sucht sich einen andern Kanal. Und was ist das Resultat? Meine Frau hat nun mehr Geld als ich. Das ist auch nicht richtig. Sie schnappt ja jetzt schon über, man muß sie sich nur ansehen. Wie sie dasitzt! Welche Blicke sie mir zuwirft! Das ist nicht mehr mein braves, biegsames Lenchen. Das ist eine ganz andere Frau. In wenigen Minuten ist sie das geworden. Bisher hat sie doch alles mir überlassen. Wenn sie etwas gebraucht hat, hat sie mich gefragt, und sie hat es bekommen. Das hat doch wunderbar geklappt. Ein besseres Zusammenleben als das unsere gab's weit und breit nicht. Und jetzt? Ich ahne Schreckliches. Aber vielleicht gelingt es mir doch noch, sie zur Vernunft zu bringen. Es müßte ihr doch klarzumachen sein, daß Johann eigentlich nur mich gemeint haben kann mit seiner Spende. Schließlich ist er mein Bruder und nicht der ihre. Und außerdem –
Jupp schreckte auf. Seine Frau hatte sich erhoben und ging zur Tür.
»Wohin willst du?« fragte er sie.
»Zur Bank.«
»Magdalena!«
Der Ruf verhallte. Hinter Lenchen Müller fiel die Tür ins Schloß.
John Miller fuhr nicht direkt von Köln nach Hamburg, sondern verließ mit seinem Wagen die Autobahn und steuerte noch einmal Gut Waldfels an. Das war kein großer Umweg. Miller streifte Eibenhain, fuhr durch den ihm schon bekannten Wald und erreichte Waldfels in einem besonders schönen Augenblick. Nach einem Platzregen, der niedergegangen war, spannte sich ein prächtiger Regenbogen über das Gut. Der Verwalter Gerhard Trenkler war nicht wenig erstaunt, als plötzlich und unangemeldet der mächtige Wagen im Hof hielt und der große, dicke Mister Miller ausstieg.
»Nanu?« sagte er, mit ausgestreckter Hand die Freitreppe herunterkommend. »Ich wähnte Sie schon längst wieder in Amerika. Die Baroneß hat mir den ersten Luftpostbrief geschrieben. Sie sorgt sich, weil sie mit mir keinen schriftlichen Vertrag abgeschlossen hat. Über Chicago wolle sie sich noch nicht äußern, schrieb sie. Der Baron hat auch ein paar Zeilen beigefügt, allgemeine Sätze. Und wie geht's Ihnen, Mister Miller?«
»Gut«, antwortete Johnny. »Ihnen, hoffe ich, auch, Gerhard. Ich bin auf dem Sprung nach Amerika. Ich komme von Köln, fahre nach Hamburg und will mit dem nächsten Schiff, das ich für mich und meinen Wagen kriegen kann, nach New York.« Er schaute von der Treppe über den Hof und die
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