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Das Glasperlenspiel

Das Glasperlenspiel

Titel: Das Glasperlenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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Enttäuschung meiner früheren Freunde kehrte ich als ein dummer, schweigsamer und geistloser Mensch ins Leben zurück, der zwar die Kräfte seines Körpers bald wiedergewann, nicht aber die Freude am Philosophieren.
    Denn in den Tagen und Nächten der Genesung, als jene scheußlichen Fieberträume gewichen waren und ich beinahe immer schlief, fühlte ich in jedem wachen Augenblick den Erlöser bei mir und fühlte Kraft von ihm ausund in mich eingehen, und als ich wieder gesund geworden war, empfand ich eine Traurigkeit darüber, daß ich diese seine Nähe nicht mehr zu empfinden vermochte. Statt ihrer aber empfand ich eine große Sehnsucht nach jener Nähe, und nun zeigte es sich: sobald ich wieder dem Disputieren zuhörte, fühlte ich, wie diese Sehnsucht
    - sie war damals mein bestes Gut - in Gefahr geriet, dahinzuschwinden und sich in die Gedanken und Worte
    hineinzuverlaufen, wie Wasser in Sand zerrinnt. Genug, mein Lieber, es war zu Ende mit meiner Klugheit und Theologie.
    Ich gehöre seither zu den Einfältigen. Aber wer zu
    philosophieren und zu mythologisieren weiß, wer jene Spiele zu spielen versteht, in denen auch ich mich einst versucht habe, den möchte ich nicht hindern und nicht gering achten. Wenn ich mich einst damit bescheiden mußte, daß Demiurg und Geistgott, daß Schöpfung und Erlösung in ihrem unbegreiflichen Ineinander- und Zugleichsein mir ungelöste Rätsel blieben, so muß ich mich auch damit bescheiden, daß ich Philosophen nicht zu Gläubigen machen kann. Es ist nicht meines Amtes.«
    Einmal, nachdem einer einen Totschlag und Ehebruch
    gebeichtet hatte, sagte Dion zu seinem Gehilfen: »Totschlag und Ehebruch, das klingt recht verrucht und großartig, und es ist ja auch schlimm genug, nun ja. Aber ich sage dir, Josef, in Wirklichkeit sind diese Weltleute überhaupt keine richtigen Sünder. Sooft ich es versuche, mich ganz in einen von ihnen hineinzudenken, kommen sie mir durchaus wie Kinder vor. Sie
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    sind nicht brav, nicht gut, nicht edel, sie sind eigennützig, lüstern, hochmütig, zornig, gewiß, aber eigentlich und im Grunde sind sie unschuldig, unschuldig in der Weise, wie eben Kinder unschuldig sind.«
    »Aber doch«, sagte Josef, »stellst du sie oft gewaltig zur Rede und malst ihnen die Hölle vor Augen.«
    »Eben darum. Sie sind Kinder, und wenn sie
    Gewissensbeschwerden haben und beichten kommen, dann wollen sie ernst genommen und wollen auch ernsthaft
    abgekanzelt werden. Wenigstens ist dies meine Meinung. Du hast es ja anders gemacht, seinerzeit, du hast nicht gescholten und gestraft und Bußen auferlegt, sondern warst freundlich und hast die Leute einfach mit dem Bruderkuß entlassen.
    Ich will das nicht tadeln, nein, aber ich könnte das nicht.«
    »Wohl«, sagte Josef zögernd. »Aber sage, warum hast du dann mich, als ich dir damals meine Beichte abgelegt hatte, nicht ebenso behandelt wie deine anderen Beichtkinder, sondern hast mich schweigend geküßt und kein Wort der Strafe gesagt?«
    Dion Pugil richtete seinen durchdringenden Blick auf ihn.
    »War es nicht richtig, was ich getan habe?« fragte er.
    »Ich sage nicht, es sei nicht richtig gewesen. Es war gewiß richtig, sonst hätte jene Beichte mir nicht so •wohlgetan.«
    »Nun so laß es gut sein. Auch habe ich dir ja damals eine strenge und lange Buße auferlegt, wenn schon ohne Worte. Ich habe dich mitgenommen und als meinen Diener behandelt und dich zu dem Amt zurückgefü hrt und gezwungen, dem du dich hattest entziehen wollen.«
    Er wandte sich ab, er war ein Feind langer Gespräche.
    Aber Josef blieb diesmal hartnäckig.
    »Du wußtest damals im voraus, daß ich dir gehorsam sein würde, ich hatte es schon vor der Beichte, und noch eh ich dich kannte, versprochen. Nein, sage mir: war es wirklich nur aus
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    diesem Grunde, daß du es so mit mir gehalten hast?«
    Der andere tat ein paar Schritte auf und nieder, blieb vor ihm stehen, legte ihm die Hand auf die Schulter und sagte: »Die Weltleute sind Kinder, mein Sohn. Und die Heiligen - nun die kommen nicht zu uns beichten. Wir aber, du und ich und unseresgleichen, wir Büßer und Sucher und Weltflüchtige, wir sind keine Kinder und sind nicht unschuldig und sind nicht durch Strafpredigten in Ordnung zu bringen. Wir, wir sind die eigentlichen Sünder, wir Wissenden und Denkenden, die wir vom Baum der Erkenntnis gegessen haben, und wir sollten einander also nicht wie Kinder behandeln, die man mit der Rute streicht und wieder laufen läßt. Wir

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