Das Glasperlenspiel
daß er zufrieden ist, daß es ihm gut geht. Menschen, welchen es gut geht, hat unsereiner aber nichts zu sagen. Damit ein Mensch der Erlösung und des erlösenden Glaubens bedürftig werde, damit er die Freude an der Weisheit und Harmonie seiner Gedanken verliere und das große Wagnis des Glaubens an das Wunder der
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Erlösung auf sich nehme, muß es ihm erst schlecht gehen, sehr schlecht, er muß Leid und Enttäuschung, er muß Bitternis und Verzweiflung erlebt haben, die Wasser müssen ihm bis an den Hals gegangen sein. Nein, Josef, lassen wir diesen gelehrten Heiden in seinem Wohlergehen, lassen wir ihn im Glück seiner Weisheit, seines Denkens und seiner Redekunst!
Vielleicht wird er morgen, wird er in einem Jahr, in zehn Jahren das Leid erfahren, das ihm seine Kunst und Weisheit zertrümmert, vielleicht wird man ihm die Frau, die er liebt, oder den einzigen Sohn totschlagen, oder er fällt in Krankheit und Armut; wenn wir ihm alsdann wieder begegnen, wollen wir uns seiner annehmen und ihm erzählen, auf welche Weise wir es versucht haben, des Leides Herr zu werden. Und sollte er uns dann fragen:›Warum habet Ihr mir das nicht gestern, nicht vor zehn Jahren schon gesagt?‹- dann wollen wir antworten:›Es ist dir damals noch nicht schlecht genug gegangen.«
Er war ernst geworden und schwieg eine Weile. Dann, wie aus Erinnerungsträumen heraus, fügte er hinzu: »Ich habe selbst einst viel mit den Weisheiten der Väter gespielt und mich vergnügt, und auch als ich schon auf dem Weg des Kreuzes war, hat das Theologisieren mir noch oft Freude gemacht, und freilich auch Kummer genug.
Ich hatte es in meinen Gedanken am meisten mit der
Schöpfung der Welt zu tun und damit, daß am Ende des Schöpfungswerkes doch eigentlich alles hätte gut sein sollen, denn es heißt ja:›Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe da, es war alles sehr gut.« In Wirklichkeit aber war es nur einen Augenblick gut und vollkommen, den Augenblick des Paradieses, und schon im nächsten Augenblick war Schuld und Fluch in die Vollkommenheit geraten, denn Adam hatte von jenem Baume gegessen, von dem zu essen ihm verboten war. Es gab nun Lehrer, welche sagten: der Gott, der die Schöpfung und mit ihr den Adam und den Baum der Erkenntnis gemacht hat, sei nicht der einige und höchste Gott, sondern nur sein Teil oder
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ein Untergott von ihm, der Demiurg, und die Schöpfung sei nicht gut, sondern sie sei ihm mißglückt, und es sei nun für eine Weltenzeit das Geschaffene verflucht und dem Bösen
anheimgegeben, bis Er selbst, der Eine Geist Gott, durch seinen Sohn der verfluchten Weltzeit ein Ende zu bereiten beschloß.
Von nun an, so lehrten sie, und so dachte auch ich, habe das Absterben des Demiurgen und seiner Schöpfung begonnen, und die Welt sterbe allmählich dahin und welke ab, bis in einem neuen Weltalter keine Schöpfung, keine Welt, kein Fleisch, keine Gier und Sünde, kein fleischliches Zeugen, Gebären und Sterben mehr sein, sondern eine vollkommene, geistige und erlöste Welt erstehen werde, frei vom Fluche Adams, frei vom ewigen Fluch und Drang des Begehrens, Zeugens, Gebarens, Sterbens. Wir gaben mehr dem Demiurgen als dem ersten Menschen die Schuld an den derzeitigen Übeln der Welt, wir waren der Meinung, es hätte dem Demiurgen, wenn er wirklich Gott selber war, ein leichtes sein müssen, den Adam anders zu schaffen oder ihm die Versuchung zu ersparen. Und so hatten wir denn am Schluß unserer Folgerungen zwei Götter, den Schöpfergott und den Vatergott, und scheuten uns nicht, über den ersteren richtend abzuurteilen. Es gab sogar solche, welche noch einen Schritt weitergingen und behaupteten, die Schöpfung sei überhaupt nicht Gottes, sondern des Teufels Werk gewesen.
Wir glaubten mit unseren Klugheiten dem Erlöser und dem kommenden Zeitalter des Geistes behilflich zu sein, und so machten wir uns denn Götter und Welten und Weltpläne zurecht und disputierten und trieben Theologie, bis ich eines Tages in ein Fieber verfiel und auf den Tod krank wurde, und in den Träumen des Fiebers hatte ich es beständig mit dem Demiurgen zu tun, mußte Krieg führen und Blut vergießen, und die Gesichte und Beängstigungen wurden immer schrecklicher, bis ich in der Nacht des höchsten Fiebers meine eigene Mutter glaubte töten zu müssen, um meine fleischliche Geburt wieder auszulöschen. Der Teufel hat mich in jenen Fieberträumen mit
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allen seinen Hunden gehetzt. Aber ich genas, und zur
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