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Das Glasperlenspiel

Das Glasperlenspiel

Titel: Das Glasperlenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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konnte er nicht nur aus der großen Freundlichkeit des Meisters schließen, sondern beinahe noch mehr aus dem Benehmen des Herrn Dubois, zu welchem der Magister ihn gleich
    weitergeschickt hatte. »Du hast deine Sache ausgezeichnet gemacht«, sagte dieser und fügte mit leisem Lachen hinzu: »Ich hatte wirklich damals keinen guten Instinkt, als ich von deiner Sendung ins Kloster abriet. Daß du außer dem Abt auch noch
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    den großen Pater Jakobus für dich eingenommen und für Kastalien günstiger gestimmt hast, ist viel, es ist mehr, als irgend jemand zu hoffen wagte.« Zwei Tage später lud ihn der Glasperlenspielmeister zusammen mit Dubois und dem
    derzeitigen Leiter der Waldzeller Eliteschule, dem Nachfolger Zbindens, zum Essen ein, und bei der Gesprächsstunde nach dem Essen fand sich unversehens auch der neue Musikmeister sowie der Archivar des Ordens ein, zwei weitere Mitglieder der obersten Behörde also, und der eine von ihnen nahm ihn noch mit sich ins Gästehaus zu einer langen Unterhaltung.
    Diese Einladung rückte Knecht zum erstenmal für alle sichtbar in den engsten Kreis der Kandidaten für hohe Ämter und richtete zwischen ihm und dem Durchschnitt der
    Spielerelite eine alsbald fühlbare Schranke auf, die der Wachgewordene empfindlich spürte. Man gab ihm im übrigen einen vorläufigen Urlaub von vier Wochen und die für Beamte gebräuchliche Ausweiskarte für die Gästehäuser der Provinz.
    Obwohl man ihm keinerlei Verpflichtungen auferlegte, nicht einmal eine Meldepflicht, konnte er doch wohl merken, daß er von oben beobachtet werde, denn als er wirklich einige Besuche und Ausflüge unternahm, so nach Keuperheim, nach Hirsland und ins ostasiatische Studienhaus, erhielt er dort alsbald Einladungen der dortigen hohen Amtsstellen; er wurde in diesen paar Wochen tatsächlich mit der gesamten Ordensbehörde und mit der Mehrzahl der Magister und Studienleiter bekannt. Wären diese sehr offiziellen Einladungen and Bekanntschaften nicht gewesen, so hätten diese Ausflüge für Knecht eine Rückkehr in die Welt und Freiheit fe iner Studienjahre bedeutet. Er schränkte sie ein, vor allem aus Rücksicht auf Tegularius, der jede Unterbrechung ihres Wiedersehens schwer empfand, aber auch des Glasperlenspieles wegen, denn ihm lag sehr daran, sich hier wieder an den neuesten Übungen und Problemstellungen zu beteiligen und zu bewähren, und hier tat ihm Tegularius unersetzliche Dienste. Sein andrer naher Freund, Ferromonte,
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    gehörte dem Stab des neuen Musikmeisters an und war ihm in dieser Zeit nur zweimal erreichbar; er fand ihn arbeitsam und arbeitsglücklich, eine große musikgeschichtliche Aufgabe hatte sich ihm erschlos- «en, die griechische Musik und ihr Fortleben im Tanz and Volkslied der Balkanländer betreffend; voll Mitteilungslust erzählte er dem Freunde von seinen jüngsten Arbeiten und Funden; sie galten der Epoche des allmählichen Niederganges der barocken Musik etwa vom Ende des
    achtzehnten Jahrhunderts an und dem Eindringen neuer musikalischer Substanz von Seiten der slawischen Volksmusik her.
    Den Großteil dieser festlichen Ferienzeit aber brachte Knecht in Waldzell und beim Glasperlenspiel zu, repetierte mit Fritz Tegularius dessen Notizen aus einem Privatissimum, das der Magister in den beiden letzten Semestern für die
    Fortgeschrittensten gehalten hatte, und lebte sich nach der zweijährigen Entbehrung wieder mit allen Kräften in die edle Spielwelt ein, deren Zauber ihm von seinem Leben so
    untrennbar und so unentbehrlich schien wie der der Musik.
    Erst in den letzten Tagen des Urlaubs kam der Magister Ludi wieder auf Josefs Mariafelser Sendung und auf seine nächste Zukunft und Aufgabe zu sprechen. Im Plauderton zuerst, dann ernster und dringlicher werdend, erzählte er ihm von einem Plan der Behörde, an welchem der Mehrzahl der Magister sowie Herrn Dubois sehr viel gelegen sei, dem Plan nämlich, für die Zukunft eine ständige Vertretung Kastaliens beim Heiligen Stuhl in Rom einzurichten. Es sei, so führte Meister Thomas in seiner gewinnenden und formvollendeten Weise aus, der historische Augenblick gekommen oder doch nahe für eine Überbrückung der alten Kluft zwischen Rom und dem Orden, in etwaigen künftigen Gefahren würden sie ganz ohne Zweifel gemeinsame Feinde haben, würden Schicksalsgenossen und natürliche Verbündete sein, und auf die Dauer sei ja auch der bisherige Zustand unhaltbar und eigentlich unwürdig: nämlich
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    daß die beiden Mächte in

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