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Das Glasperlenspiel

Das Glasperlenspiel

Titel: Das Glasperlenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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Johann Albrecht Bengel zu seiner Zeit einer kleinen und vergänglichen Kirche gedient, ohne dabei etwas vom Dienst am Ewigen zu versäumen. Frömmigkeit, das heißt gläubiger Dienst und Treue bis zur Hingabe des Lebens, sei in jedem Bekenntnis und auf jeder Stufe möglich, und für die Aufrichtigkeit und den Wert jeder persönlichen Frömmigkeit sei dieser Dienst und diese Treue die einzige gültige Probe.
    Als Knechts Aufenthalt bei den Patres etwa zwei Jahre gedauert hatte, erschien im Kloster einst ein Gast, der mit großer Sorgfalt von ihm entfernt gehalten wurde, sogar eine flüchtige Vorstellung wurde vermieden. Dadurch neugierig geworden, beobachtete er den Fremden, der übrigens nur einige Tage blieb, und kam auf allerlei Vermutungen.
    Das geistliche Kleid, das der Fremde trug, glaubte er als Verkleidung zu erkennen. Mit dem Abt und namentlich mit Pater Jakobus hatte der Unbekannte lange Sitzungen bei geschlossenen Türen, häufig empfing er Eilbotschaften und sandte solche weg. Knecht, der ja von den politischen Beziehungen und Traditionen des Klosters wenigstens
    gerüchtweise wußte, vermutete, der Gast sei ein hoher Staatsmann in geheimer Mission, oder ein inkognito reisender Fürst; und indem er seinen Beobachtungen nachsann, erinnerte er sich aus den vergangenen Monaten noch des einen und
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    andern Gastes, der ihm jetzt im Nachhinein ebenfalls geheimnis-oder bedeutungsvoll ersche inen wollte. Dabei fiel ihm der Vorstand der »Polizei« ein, der freundliche Herr Dubois, und dessen Bitte, je und je ein Auge gerade auf solche Vorgänge im Kloster zu haben, und wenn er auch zu solchen Berichten noch immer keinerlei Lust noch Beruf spürte, schlug ihm doch das Gewissen darüber, daß er dem wohlwollenden Manne seit langem nicht geschrieben und ihn vermutlich recht eigentlich enttäuscht habe. Er schrieb ihm einen langen Brief, suchte sein Schweigen zu erklären und erzählte, um dem Brief doch einige Substanz zu geben, ein wenig von seinem Verkehr mit Pater Jakobus. Er ahnte nicht, wie sorgfältig und von wem alles sein Brief würde gelesen werden.
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    Die Mission
    Knechts erster Aufenthalt im Kloster dauerte zwei Jahre; um die Zeit, von der hier die Rede ist, stand er im
    siebenunddreißigsten Lebensjahr. Am Ende dieses
    Gastaufenthaltes im Stift Mariafels, etwa zwei Monate nach dem Datum seines langen Briefes an den Vorstand Dubois, wurde er eines Morgens in das Sprechzimmer des Abtes gerufen. Er dachte, der leutselige Herr werde sich ein wenig über Chinesisches zu unterhalten Lust haben, und machte ungesäumt seine Aufwartung. Gervasius kam ihm mit einem Brief in der Hand entgegen.
    »Man beehrt mich mit einem Auftrag an Sie, Hochgeschätzter
    «, rief er in seiner behäbig gönnerhaften Art ver- gnügt und verfiel auch alsbald in den ironischen Neckton, wie er sich als Ausdruck des noch nicht ganz geklärten
    Freundschaftsverhältnisses zwischen dem geistlichen und dem kastalischen Orden herausgebildet hatte und der eigentlich eine Schöpfung des Paters Jakobus war. »Übrigens alle Achtung vor Ihrem Magister Ludi! Der kann Briefe schreiben! Mir hat er lateinisch geschrieben, der Herr, Gott weiß warum; bei euch Kastaliern weiß man ja, wenn ihr irgend etwas tut, niemals, ob ihr damit eine Höflichkeit oder eine Verspottung, eine Ehrung oder eine Belehrung beabsichtigt. Also mir hat dieser ehrwürdige Dominus lateinisch geschrieben, und zwar ein Latein, wie es zur Zeit in unsrem ganzen Orden niemand zustande brächte, höchstens den Pater Jakobus ausgenommen.
    Es ist ein Latein wie aus der unmittelbaren Schule Ciceros und doch mit einem wohlerwogenen kleinen Schuß
    Kirchenlatein parfümiert, von dem man natürlich auch wieder nicht weiß, ob er naiv als ein Köder für uns Pfa- fen, oder ironisch gemeint, oder einfach nur aus einem unbezähmbaren Trieb zum Spielen, Stilisieren und Dekorieren entstanden ist.
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    Also der Verehrungswürdige schreibt mir: man halte es dortseits für wünschenswert, Sie einmal wieder zu sehen und zu umarmen, auch festzustellen, inwieweit etwa der lange Aufenthalt unter uns Halbbarbaren moralisch und stilistisch korrumpierend auf Sie gewirkt habe. Kurz, sofern ich das umfangreiche literarische Kunstwerk richtig verstanden und gedeutet habe, wird Ihnen ein Urlaub bewilligt, und ich werde ersucht, meinen Gast für eine nicht befristete Weile nach Waldzell heimzusenden, nicht für immer jedoch, sondern es liege Ihre baldige Wiederkehr, sofern sie uns angenehm

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