Das Glück reicht immer für zwei
Hochglanzbroschüren diese Kreuzfahrt als die Traumreise schlechthin priesen. Aber Britt mit ihrem herzförmigen Gesicht hatte mal wieder ihre strengste Miene aufgesetzt, wie um ihr ins Gedächtnis zu rufen, dass beide nicht auf Urlaub hier waren, sondern um zu arbeiten. Was sie bitte schön nie vergessen sollte.
Wie hätte sie das je vergessen können?, dachte Mia und schob sich ihre Lockenpracht aus dem Gesicht. Britt erinnerte sie oft genug daran. Doch auch wenn sie es Arbeit nannte – in Britts Fall hieß das, eine Reihe von Workshops und Lesungen abzuhalten –, so war ein vierzehntägiges Inselhüpfen gewiss hundertmal besser, als zu dieser Jahreszeit in Dublin zu sein. Noch dazu, da sich dieser Februar als der nasseste seit Beginn der Wetteraufzeichnung entpuppte. Und auch wenn sich Mia nicht im düsteren Dubliner Winter aufgehalten hatte, sondern in Spanien, wo es zwar trocken, aber nicht besonders warm war, als Britts Anruf sie ereilte,
so war der Köder, den ihre Schwester ihr hingehalten hatte, zu verlockend gewesen, um nicht anzubeißen: Wer wollte schon eine Schiffsreise ausschlagen, die von der Karibik in den Pazifik führte und eine Stippvisite Guatemalas beinhaltete (wo sie Alejo kennengelernt hatte). Trotz allem hatte sie sich seither immer wieder gefragt, ob sie das Richtige tat.
Mia konzentrierte sich auf die Klänge der Calypso-Musiker in ihren knallbunten Hemden und weißen Shorts unten auf dem Pier und verbannte Alejo aus ihren Gedanken. Sie freute sich darauf, Guatemala wiederzusehen, wo sie vier Jahre zuvor ein paar wundervolle Monate verbracht und Land und Leute lieben gelernt hatte. Obgleich sie es nicht zu einer Hommage an ihre törichte Vergangenheit werden lassen wollte. Oder gar an Alejo. Natürlich wollte sie die Vergangenheit nicht aus ihrem Gedächtnis streichen, aber vielleicht konnte sie diese Gelegenheit nutzen, um sie in einem anderen Zusammenhang zu betrachten. Guatemala wieder zu besuchen würde ihr helfen, dieses Kapitel ihres Lebens abzuschließen, redete sie sich ein. Und das Kapitel bedurfte dringend eines Abschlusses. Sie seufzte kaum merklich. Wenn sie ganz ehrlich zu sich war, so zweifelte sie, ob sie wirklich einen Abschluss wollte, auch wenn es gewiss das Beste für sie gewesen wäre.
Ein motorisierter Gepäckwagen, voll beladen mit Gepäckstücken, tuckerte am Pier entlang und hielt neben dem Schiff an, wo das Gepäck auf eine Rampe verladen wurde, die in den Frachtraum führte. Die beiden Schiffsoffiziere schritten auf und ab. Mias Blick folgte ihnen, während sie die Verladeaktion beaufsichtigten. Sie ertappte sich bei dem Gedanken, wie attraktiv eine gestärkte weiße Uniform einen Mann doch aussehen ließ. Sie pfiff leise die Filmmelodie von Ein Offizier und Gentleman vor sich hin. Als der Film herausgekommen war, hatte sie zwar noch in die Windeln gemacht, aber es war einer der Lieblingsfilme ihrer Mutter gewesen. Und da sie ihn unzählige Male mit Paula angeschaut
hatte, war er auch zu einem von Mias Lieblingsfilmen geworden. Sie kam nicht umhin, ihrer Mutter zuzustimmen, dass niemand besser in einer weißen Uniform aussah als Richard Gere. Doch nun war sie versucht, dieses Urteil zu revidieren. Der junge Offizier, der gerade dabei war, die letzten Passagiere zur Gangway zu geleiten, sah, zumindest aus der Entfernung, äußerst attraktiv aus. Flüchtig kam ihr der Gedanke, ob die Schiffsbesatzung wohl auch an der romantischen Atmosphäre der Valentins-Kreuzfahrt teilhaben durfte. Die Vorstellung, von einem Mann in weißer Uniform umworben zu werden, gefiel ihr, ob mit Ständchen oder ohne.
Einen Moment lang schloss sie die Augen und malte sich aus, wie ein Offizier ihr Herz im Sturm eroberte. Dann öffnete sie sie wieder und ermahnte sich, nicht so albern zu sein. Was immer die kommenden zwei Wochen auch bringen würden, Valentins-Kreuzfahrt hin oder her, eine Romanze jedenfalls nicht. Zumindest nicht für sie persönlich. Mochte es auch den einen oder anderen romantischen Moment geben, so war er gewiss dem Job geschuldet, dessentwegen sie hier war. Im Übrigen stand ihr Herz ja gar nicht zur Disposition. Sie hatte ihre Lektion gelernt.
Die letzten Passagiere gingen an Bord des Schiffes. Am Fuß der Gangway blieben sie stehen, damit die hübsche, junge Schiffsfotografin im rosa-goldenen Licht der untergehenden Sonne eine Aufnahme von ihnen machen konnte. Die Fotografin sorgte dafür, dass sie glücklich und voller Vorfreude in die Kamera blickten, auch
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