Das Glück wartet in Virgin River
Zeitpunkt, das Geschäft mit den Pferden aufzubauen. Nathaniels Großtierpraxis würde sie über Wasser halten, während einige Pferdebetriebe zu kämpfen hatten, andere sogar aufgeben mussten. Der Jensen-Stall konnte langsam wachsen, weil er nicht allein auf die Einkünfte aus dem Pferdeunternehmen angewiesen war. Nathaniel hatte davon gesprochen, irgendwann einen weiteren Tierarzt zu suchen, der sich in der Praxis um das Nutzvieh kümmern sollte, und zusätzliche Helfer, um ihn zeitlich zu entlasten, sodass er sich auf die Pferde konzentrieren könnte. Aber all das lag noch in der Zukunft.
Ihr neuer Kunde traf am folgenden Nachmittag ein, Clays zweitem Arbeitstag. Alle standen sie bereit, um Magnum’s Winning Streak in Empfang zu nehmen. Der Hengst war ein Nachkomme des Nationalchampions Magnum Psyche; er war jung, problematisch, nicht eingeritten und undiszipliniert, sah aber fantastisch aus. Er war kräftig und beeindruckend, hatte jedoch etwas an sich, das Clay einfach nicht genau ausmachen konnte. Der ursprüngliche Besitzer hatte beschlossen, ihn aufzugeben und lieber zu verkaufen, als weiteres Geld in ihn zu investieren, und so war er in Ginny Nortons Besitz gelangt. Ein wahrhaft schönes Pferd und absolut unwiderstehlich.
Ginnys Stallhelfer Will Burry manövrierte ihn gekonnt rückwärts aus dem Trailer. Kaum war er draußen, begann der Hengst zu schnauben, den Boden mit den Hufen zu bearbeiten und mit hoch erhobenem Schweif am Seil zu zerren. Will versuchte ihn zu beruhigen, indem er leise auf ihn einredete. Er wollte ihn in den Longierzirkel führen, um ihn dort loszubinden, aber der Hengst wehrte sich, und Will brauchte eine ganze Weile, bis er es geschafft hatte. Anschließend drehte er sich zu seinem versammeltenPublikum um, nahm den Hut vom Kopf und wischte sich mit dem Hemdsärmel über die Stirn. „Ich habe Miss Norton gesagt, dass mit diesem Pferd irgendetwas nicht stimmt. Ich habe schon viele Pferde gesehen, die noch nicht eingeritten waren, aber sein Verhalten ist regelrecht gefährlich. Der junge Mann vertraut nichts und niemandem. Abgesehen davon hat er einen ganz üblen Charakter.“
Nathaniel hatte sich das Pferd vor zwei Tagen in Ginnys Hinterhofstall angesehen und sie gebeten, Will den Transport allein durchführen zu lassen. Sie sollte ihnen ein paar Tage Zeit geben, um mit dem Tier zu arbeiten, bevor sie eine Einschätzung abgeben würden. Ginny war also nicht dabei, um ihn zum ersten Mal in seiner neuen Umgebung zu sehen, und Streak lief im Kreis herum, als hätte er monatelang angestaute Energie zu verbrennen.
Während Nathaniel und Annie sich mit Will unterhielten, legte Clay die Arme auf den Zaun und sah dem Zweijährigen dabei zu, wie er etwas Dampf abließ. Es gab viele und sehr unterschiedliche Gründe, weshalb Menschen ihr Pferd verkauften. So kam es vor, dass ein Besitzer seinen Stall einer eingehenden Prüfung unterzog und beschloss, ihn auszudünnen, um Platz für bessere Investitionen zu schaffen. In diesem speziellen Fall war allerdings anzunehmen, dass es ihm nur noch um Schadensbegrenzung gegangen war. Es würde Zeit brauchen, bis sich herausstellte, was mit Streak los war, aber er war zu jung, um abgeschrieben zu werden. Während Clay beobachtete, wie er lief, den Kopf hochwarf, schnaubte, sich aufbäumte und mit den Hufen scharrte, begann er zu hoffen, dass Streaks Problem etwas war, das mit etwas Erfahrung und Intuition gelöst werden könnte, denn das Pferd war verdammt schön.
Sein Fell war kastanienbraun, er hatte weiße Socken an allen Fesseln und eine Blesse auf Stirn und Nase. Für einen jungen Araber war er groß, das Stockmaß mindestens eins siebenundsechzig, und sein Gewicht schätzte Clay auf etwa gute sechshundert Kilo. Eigensinnig, dynamisch, vielleicht ein bisschen verrückt. Wie schon mindestens tausendmal vorher fragte sich Clay, warum einige der erstaunlichsten Geschöpfe Gottes sichso schwer bändigen ließen. Warum war es so schwierig, sich mit ihnen anzufreunden? Lachend schüttelte er den Kopf. Und das Pferd schüttelte den Kopf und schnaubte in Clays Richtung, bevor es eine weitere Runde drehte.
Wie es aussah, würde Streak ein paar Stunden brauchen, um sich im Longierzirkel auszutoben. Er litt an einem schweren Stallfieber.
Clay hörte, wie Wills Pick-up davonfuhr, und gleich darauf stellten Nathaniel und Annie sich rechts und links neben ihn. Alle Blicke waren auf Streak gerichtet, und Nathaniel erklärte: „An manchen Tagen ist das Pferd
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