Das Götter-Opfer
wiederholte ich.
»Ist nicht dein Fall.«
»Zumindest im Moment nicht. Ich habe eigentlich keinen Hunger und nur Durst.«
Suko grinste mich an. »Klar, Alter, ich weiß, worum es geht. Du denkst an den Anruf.«
»Klar, und damit auch an die Frau mit den goldenen Augen.«
»Die es vielleicht gar nicht gibt.«
»Vielleicht«, sagte ich. »Aber es könnte sein. Warum sollte mich jemand angerufen haben, wenn es die Frau gar nicht gibt? Da muß doch mehr dahinterstecken. Ich bin beinahe überzeugt davon, daß sie existiert und mir auch über den Weg laufen wird. Das ist die eine Sache. Die zweite ist ebenfalls rätselhaft. Ich frage mich jetzt noch, wer die geheimnisvolle Anruferin gewesen ist.«
»Zumindest eine Frau, die dich kennt.«
»Klar. Wie viele gibt es davon?«
»Jede Menge.« Suko grinste. »Du bist doch etwas wie ein halber Schwerenöter.«
»Ja, aber nur ein halber.« Ich runzelte die Stirn. »Wer kann es sein, verdammt?«
»Denk an die Stimme.«
»Himmel, das habe ich die ganze Zeit über getan. Sie hat sehr leise gesprochen. Ich konnte sie zwar verstehen, aber die Stimme habe ich nicht identifizieren können.«
»Hast du sie denn auf dem Anrufbeantworter?«
»Nein, den hatte ich nicht eingeschaltet.«
»Tja«, sagte Suko, »dann bleibt dir nur eine Chance. Du mußt darauf warten, daß sie dich wieder anruft. Könnte ja sein, daß sie es tut, wenn du die Frau mit den goldenen Augen bis zu einem bestimmten Zeitpunkt noch nicht gesehen hast.«
»Das wäre möglich«, murmelte ich. »Nur sagt mir meine innere Stimme, daß ich nicht so lange warten kann. Ich will und muß sie vorher finden. Das ist für mich kein Spaß. Die Sache beunruhigt mich. Außerdem frage ich mich, welcher Mensch mit goldenen Augen herumläuft. Vorausgesetzt, daß er ein Mensch ist.«
»Stimmt.« Suko schaute den anderen Kollegen nach, die dem Kalten Sushi-Buffet entgegenströmten. »Du mußt dich entscheiden, John. Willst du was essen oder sofort nach Hause fahren?«
»Ich fahre. Ich brauche Ruhe.«
»Oder wartest du darauf, daß die Unbekannte sich noch einmal mit dir in Verbindung setzt?«
Ich lächelte. »Das könnte auch sein.«
»Dann mach’s mal gut.« Er schlug mir auf die Schulter. »Sag mir heute nachmittag Bescheid.«
»Geht in Ordnung.«
Ich hatte wirklich keinen Appetit. Zudem war der Durst gelöscht. Als einer der wenigen wandte ich mich in eine andere Richtung und war froh, den Menschen und auch der Wärme des Raumes zu entkommen. Durch eine breite Tür betrat ich die Freitreppe, deren Stufen ich hinablief und mir dabei den Wind ins Gesicht blasen ließ. Es war Winter, aber der Wärmeschub aus Südwest hatte die Stadt mit frühlingshaften Temperaturen überschwemmt. Das brachte vielen Menschen Kopfschmerzen und auch Kreislaufärger ein. Auch ich hatte mich schon fitter gefühlt. Es mochte auch an den langweiligen Ausführungen gelegen haben, daß ich so müde war. Auf der einen Seite wußte ich auch, daß ich nicht schlafen konnte, wenn ich mich nach meiner Rückkehr in die Wohnung hinlegte. Mir spukte immer noch der Anruf durch den Kopf.
Die Stimme der Frau war einfach zu leise gewesen, um sie identifizieren zu können. Ich hatte sie als Flüstern gehört. Aber etwas war mir schon aufgefallen. Trotz der wenigen Worte hatte ich herausgefunden, daß diese Person keine Britin war. Sie hatte mit einem fremdländischen Akzent gesprochen. Dieser Klang schwebte mir noch jetzt in den Ohren. Etwas hart, trotz der weichen Stimme.
Und die Frau mußte mich kennen!
Kannte ich auch sie?
Davon konnte man eigentlich ausgehen, obwohl ich nicht hundertprozentig überzeugt war. Es gab auch Menschen, die mich kannten, obwohl sie mir nicht bekannt waren, ln diesem Fall konnte ich mir das schwer vorstellen, weil ich die Worte auch als recht persönlich eingestuft hatte. Sie kannte mich, ich kannte sie. Fertig, basta. Jetzt brauchte sie sich mir nur zu erkennen zu geben oder mir aber die Person mit den goldenen Augen schicken.
Auch sie war ein Rätsel. Wahrscheinlich das größte der beiden. Die Frau mit den goldenen Augen. Wer besaß schon als Mensch goldene Augen? Ich kannte keinen. Golden Eye, so hatte mal ein James Bond-Film geheißen. Aber goldene Augen?
Trotzdem lächelte ich nicht darüber, ln meinem Leben war mir schon genug widerfahren. Über derartige Dinge sollte man nicht hochmütig lächeln. Nein, auf keinen Fall. Da wollte mich auch niemand auf den Arm nehmen, und genau dieses Gefühl oder sogar Wissen
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