Das Götter-Opfer
stehen. Sehr langsam drehte sie sich um, weil sie mich anschauen wollte.
Ihre Nacktheit übersah ich. Dafür gefiel mir das Lächeln, das sie mir schenkte.
»Du hast es geschafft, Selima.«
»Ja, und du hast mir geholfen.«
Ich winkte ab. »Nein, so kannst du das nicht sehen. Meine Freunde und ich haben nur am Rande mitgespielt.«
»Ihr seid aber zur richtigen Zeit zur Stelle gewesen.«
»Dafür hat Fatima gesorgt.«
Das Lächeln wurde breiter. »Ich liebe sie. Ich habe gemerkt, daß ich mich auf sie verlassen kann und sie sich auf mich. Wir sind Freundinnen geworden.«
»Heißt es, daß ihr zusammenbleiben wollt?«
»So ist es abgesprochen.«
»In welcher Zeit?«
Jetzt mußte Selima lachen. Dabei korrigierte sie mich. »Zeit, John, ist für mich nicht mehr wichtig. Wenn ich will, kann ich durch Fatimas Hilfe überall sein. Sie wird sich immer ihre Leben holen und sie dann auch an mich weitergeben. Sie ist ein Succubus, das weißt du. Ich freue mich, daß ich davon profitieren kann. Durch meine Wiedergeburt habe ich endlich die Aufgabe meines Lebens gefunden. Wer den Himmel erreichen will, muß durch die Hölle gehen. Ich habe es hinter mir.«
»Ja, Selima, das hast du. Ich wünsche dir viel Glück. Nur habe ich noch ein Problem…«
»Ich weiß«, sagte sie mit einer fast mütterlich klingenden Stimme. »Es ist das Zeittor. Nimm auf die anderen hier keine Rücksicht. Sieh es so, daß du sie in der Vergangenheit besucht hast, wie auch Kalim Esser es schaffen konnte.« Sie streckte mir die Hand entgegen. »Komm her zu mir, mein Freund.«
Ich sah keinen Grund, es nicht zu tun. Weit brauchte ich nicht zu gehen. Unsere Hände berührten sich. Ich fühlte dabei ein angenehmes Kribbeln auf der Haut.
Selima zog mich dichter heran. Ihr Gesicht >schwebte< auf mich zu. Dann küßte sie mich. Ich spürte die warmen, weichen Lippen, aber ich wußte nicht, ob ich nur sie oder auch Fatima geküßt hatte. Es war auch nicht so interessant. Leicht drückte sie mich zurück. Dann zog sie mich einfach mit, und ich sah, daß wir auf die Glaswand zugingen. »Diese Welt wird verschwinden«, sagte sie leise. »Du wirst sie nicht mehr sehen. Sie ist für dich nur noch Erinnerung.«
»Ich hoffe es.«
Hinter der Scheibe sah ich Jane und Suko. Auch sie lächelten. Sie winkten mir sogar zu, doch ich achtete nur auf Selimas Worte.
»Leb wohl, John. Viel Glück…«
Sie schob mich vor.
Wieder spürte ich nur den geringen Widerstand und hatte dabei den Eindruck, für einen Moment neben mir selbst zu stehen. Bis ich Janes Stimme hörte.
»Willkommen in der Gegenwart, John!«
Ich schüttelte den Kopf, weil ich noch zu benommen oder mit Erinnerungen gefüllt war.
Dann drehte ich mich um.
Eine Wand. Schmutzig und dunkelgrau. Das war alles. Es gab keine sichtbare Erinnerung mehr. Doch die Erinnerung in unseren Köpfen würde nicht verlöschen. Dafür war dieser Fall einfach zu ungewöhnlich und rätselhaft gewesen…
ENDE
[1] Siehe John Sinclair Taschenbuch Nr. 73 185 »Kismet in Kairo«
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