Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)
die Heilerin Agnes?«
Königin Jadwiga und Cristin hatten damals beschlossen, dass sie und Baldo sich weiterhin mit den Namen Agnes und Adam anreden lassen sollten. Jenen Namen also, die sie während ihrer Flucht benutzt hatten. Cristin sollte selbst den Zeitpunkt bestimmen, an dem sie ihre wahre Identität preisgab.
Sie nickte. Der Mann deutete eine Verbeugung an.
»Königin Jadwiga von Polen schickt Euch diese Kutsche, wie durch ihren Boten angekündigt.«
Hinter sich hörte sie die Tür zur Werkstatt knarren. Baldo trat neben sie, gefolgt von seinem Hund.
»Ihr werdet meine Frau nach Krakow begleiten?«
»So lautet der Befehl meiner Königin.«
Der Mann legte die Hand auf den Griff des Schwertes, das in einer ledernen Scheide an seinem Gürtel hing. Sein Gefährte stieg ebenfalls vom Pferd und nickte Cristin und Baldo zu. Dieser musterte die beiden Polen.
»Dann gebt gut auf meine Frau und meine Tochter acht«, stieß er gepresst hervor. »Sie sind das Kostbarste, was ich besitze.«
Cristin wandte sich um. Einen Moment lang hielten die beiden sich wortlos umfangen. Baldo räusperte sich und sah die Männer an.
»Wann wollt Ihr aufbrechen?«
»Möglichst bald«, lautete die Antwort.
»Dann esst wenigstens noch eine Kleinigkeit und lasst mich die Pferde tränken«, erwiderte Baldo.
»Das ist sehr freundlich von Euch. Eine Mahlzeit werden wir allerdings unterwegs in einem Gasthaus zu uns nehmen.«
»Ich hole die Kleine«, murmelte Baldo und schlich davon.
Vor fünf Stunden hatte die Kalesche mit Cristin und Elisabeth auf der Rückbank die Mauern Hamburgs hinter sich gelassen. Nun rollte sie über eine ebenso holprige wie staubige Straße gen Süden, vorbei an weiten Feldern von grün schimmernder Gerste, deren Ähren sich sanft im Wind bewegten. Nur ab und zu wurde die flache Landschaft von einem Flüsschen oder einer Ortschaft unterbrochen, in der die Leute dem Reisewagen und den beiden fremdartig gekleideten Reitern neugierig nachsahen.
Bis zum Abend wollte Karol, der Kutscher, in Brunswick sein, der mächtigen Stadt Kaiser Ottos und Heinrichs des Löwen, dessen Gebeine im Dom nahe der Burg Dankwarderode beigesetzt waren. Die Stadt lag an der Oker, einem Fluss, der im Harzgebirge entsprang. An seiner Furt kreuzten sich zwei wichtige Handelswege. Der eine führte von Osten nach Westen, der andere vom Norden des Reiches hinab in den Süden. All das hatte der Kutscher Cristin erzählt, während sie sich Brunswick näherten, auch, dass er hier aufgewachsen war, bis seine Eltern mit ihm und den Geschwistern nach Polen gezogen waren. In einem Gasthaus wollten die Reisenden die Nacht verbringen, um am nächsten Tag nach Magathaburg weiterzufahren, ihrem nächsten Etappenziel.
Nicht weit von der Kutsche entfernt ritten die beiden Männer, die Jadwiga zu ihrem Schutz mitgeschickt hatte, und ließen Elisabeth und Cristin nicht aus den Augen. Sie waren Brüder und hießen Mariusz und Roman, wie die junge Goldspinnerin mittlerweile wusste. Die Kleine war inzwischen in ihren Armen eingeschlafen. Ab und zu fiel ein Sonnenstrahl auf die Dolche der beiden Wachen und ließ sie aufblitzen. Auch trugen sie Schwerter bei sich, die zusammen mit den entschlossenen Mienen der Männer jedem zeigen sollten, dass man sich besser nicht mit ihnen anlegte.
Cristin bettete Elisabeth auf die Bank und legte ihr eine wärmende Decke um. Anfangs hatte der kleine Mund kaum stillgestanden. Hierhin und dorthin hatte das kleine Mädchen gezeigt und war sogar einmal nach einer kurzen Rast auf den Kutschbock geklettert, um Karol mit glänzenden Augen zuzusehen, wie er die königlichen Pferde antrieb. Cristins Augen füllten sich mit Tränen. Viele endlose Wochen würden vergehen, bevor sie Baldo wiedersahen. Kurz vor dem Abschied hatte er ihr noch zugeflüstert, dass er so bald wie möglich nachkommen wolle. Sie zweifelte keinen Augenblick an seinem Entschluss, fragte sich aber, wie er das so rasch zu bewerkstelligen gedachte. Einen anständigen Mann zu einem geringen Lohn zu finden, zumal sie in der Stadt kaum jemanden kannten, erschien ihr wie die Suche nach der sprichwörtlichen Nadel im Heuhaufen.
Vor Baldos kantige Züge schob sich das schöne, ebenmäßige Gesicht der polnischen Königin, die es nun danach verlangte, sie wiederzusehen. Wie aufgeregt Piet gewesen war, als er der Königin das erste Mal gegenübergetreten war! Cristin lächelte. Jadwiga hatte ihn fasziniert. Sein Herz allerdings gehörte Marianka, jener Frau, deren
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