Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)
Vater Baldo das Arbeiten mit Kupfer beigebracht hatte. Cristin freute sich auf das Wiedersehen mit den beiden Jungverheirateten. Im Geiste befand sie sich wieder im Speisesaal des Spitals. Dort hatte sie der Königin von ihren furchtbaren Erlebnissen auf dem Weg nach Slupsk berichtet. Und dann, urplötzlich, war Jadwiga kreidebleich zusammengebrochen. Immer wieder war die Königin in den kommenden Monaten erkrankt, und niemand hatte ihr helfen können. Doch Jadwigas Beschwerden waren nicht nur körperlicher Natur, auch ihre Seele krankte. Nun würde alles besser werden. Ein Kind wuchs unter ihrem Herzen heran, das Freude in Jadwigas Leben bringen und ihrer Ehe guttun würde.
Nachdem sie stundenlang durch einen dichten Laubwald gefahren waren, tauchte kurz vor Sonnenuntergang endlich die Silhouette der Löwenstadt vor ihnen auf.
Karol drehte sich zu ihnen um. »Brunswick«, rief er. »Jetzt wird es ein bisschen ungemütlich!«
Der Pole ließ die Peitsche knallen und auf den Rücken der Pferde niederfahren. Cristin musste sich mit einer Hand an der Sitzbank festklammern, um nicht hin und her geworfen zu werden. Mit der anderen hielt sie Elisabeth an sich gepresst, die durch die halsbrecherische Fahrt über das holprige Pflaster aufgewacht war und sie aus geweiteten Augen ansah.
Cristin beugte sich vor. »Muss das sein?«, rief sie dem Kutscher zu.
»Was denn?«
»Diese wilde Fahrt!«
Sie hörte ihn lachen. »Ich fürchte, ja. Oder wollt Ihr die Nacht vor den Mauern der Stadt verbringen?«
Cristin schwieg. Hoffentlich erreichten sie die Stadt, bevor die Tore geschlossen wurden. Je näher sie Brunswick kamen, desto deutlicher wurde Cristin die Größe dieser Stadt bewusst, von der sie bisher nur gehört hatte. Die massiven Türme der Burg Dankwarderode, die zwischen zahlreichen Kirchtürmen hoch in den zunehmend dunkler werdenden Himmel aufragten, ließen sie unwillkürlich den Atem anhalten.
Kurze Zeit später lenkte Karol die Pferde über eine Brücke, die einen schmalen, aber tiefen Wassergraben überspannte. Dahinter erhob sich eine über zwei Klafter hohe Stadtmauer, an deren Tor sich drei Männer zu schaffen machten, um die mächtigen Flügeltüren zu schließen. Im letzten Augenblick trieb der Kutscher die wiehernden Tiere hinter ihren beiden Begleitern hindurch, verfolgt von den empörten Rufen der Torwächter. Der Pole zügelte die Pferde und brachte die Kalesche zum Stehen. Ein vierschrötiger Mann mit einer Gugel auf dem Kopf trat herzu. An dem Gürtel, der seinen knielangen, unten geschlitzten Mantel zusammenhielt, baumelte ein schellenbesetzter Beutel. Ein Zolleinnehmer.
»Da habt ihr aber noch mal Glück gehabt«, brummte der Mann, während Karol vom Kutschbock stieg und sich streckte.
Hinter ihm schloss sich knarrend das Tor aus eisenbeschlagenem Eichenholz. Der Vierschrötige hielt die Hand auf und nannte den Betrag, den der Kutscher als Torzoll zu bezahlen hatte. Dieser fasste nach seinem Geldbeutel und griff hinein. Während er die verlangte Summe Geld in die ausgestreckte Hand des Wächters fallen ließ, fragte Karol: »Kannst du uns ein gutes Gasthaus nennen?«
Der Zolleinnehmer zählte das Geld nach und ließ es in dem Beutel verschwinden. Er warf einen kurzen Blick auf Cristin und Elisabeth im hinteren Teil der Kutsche.
»Für Euch und das Kind?«
»Sowie für den Kutscher und die zwei Männer, die uns begleiten«, ergänzte Cristin.
Der Zolleinnehmer wandte sich Karol zu. »Fahrt die Sunnenstrate hinunter bis St. Martini. Dort gibt es mehrere Garküchen und Schänken. Fragt nach dem Ochsen , das ist eine gute Adresse.«
Karol bedankte sich, kletterte zurück auf den Kutschbock und ließ die Peitsche knallen. Die beiden polnischen Reiter folgten der Kalesche.
Cristin sah hinaus. Die Häuser rechts und links der Straße waren anders gebaut, als sie es aus Lübeck oder Hamburg kannte. Es waren Holzbalkenkonstruktionen, die Cristin an ein Skelett erinnerten. Einige der hölzernen Streben verliefen waagerecht, andere schräg. Die Zwischenräume hatten die Baumeister mit Backsteinen ausgefüllt.
Auf einem Platz hinter der Martinikirche brachte Karol die Kutsche zum Stehen und kletterte vom Bock. Zwei junge, gut gekleidete Männer und ihre Begleiterinnen schlenderten heran, blieben stehen und besahen sich neugierig die Kutsche und die Reiter in ihrer fremdländischen Kleidung.
Mariusz nickte einem von ihnen zu. »Könnt Ihr mir sagen, wo ich den Ochsen finde?«
Der Angesprochene zeigte
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