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Das Gold von Karthago

Titel: Das Gold von Karthago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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anders, sagte der Arzt, seien kleine Verletzungen der Kopfhaut nicht zu erklären: Lavinius hatte sich gewehrt und dabei einige Haarbüschel verloren.
    »So weit. Dort, wo man ihn gefunden hat, ist der Mord nicht verübt worden. Kein Blut, außer unmittelbar um die Wunde und an den Kleidern des Toten. Eine zertrennte Halsader … viel Flüssigkeit. Also, er wurde irgendwo getötet und dann in diesen Garten gebracht. Von wo?« Artemidoros hob die Schultern.
    »Kleidung«, sagte der Römer. »Besitztümer.«
    »Ah. Er trug einen kitun … einen hellen Chiton, ihr sagt Tunika, nicht wahr? Gewöhnliche Machart, ein Gemisch aus Leinen und Wolle, keine besonderen Eigenarten oder Verzierungen. Darunter einen Leibschurz, feine weiche Wolle. Keine Fußbekleidung, kein Umhang, keine Ringe oder Spangen. Nichts an Beuteln oder Taschen.«
    Laetilius nickte. »Also ausgeplündert. Von einem Dieb; oder von einem Mörder, dem eigentlich nichts am Besitz des Opfers lag?«
    »Vielleicht lag ihm nichts am Besitz«, sagte Bomilkar. »Man beraubt einen Toten bisweilen auch, um keine Hinweise auf dessen Herkunft zurückzulassen. Aber das können wir hier nicht annehmen, glaube ich.«
    »Du meinst, weil man den Toten auf Hamilkars Gut hinterläßt, wo er länger gewohnt hat und alle ihn kennen?« Artemidoros runzelte die Stirn.

    »Vielleicht wußte der Mörder das nicht«, sagte Laetilius. »Aber warum legt er ihn dann dorthin? Ist er dort getötet worden?«
    Bomilkar erhob sich von dem unbequemen Schemel, ging zur Fensteröffnung und lehnte sich an den Sims. »Nein. Lavinius war nachmittags draußen. Dann ist er in die Stadt zurückgekehrt. Er wohnte zuletzt in einem Gasthaus, das oft von Fernhändlern genutzt wird. Dort hat er sich erfrischt, wie der Wirt sagt, und ist kurz vor Sonnenuntergang aufgebrochen – mit Umhang und einem Beutel voller Münzen. Jedenfalls hat es geklirrt.«
    »Kann er nicht zurück zu Hamilkars Haus gegangen sein?«
    Artemidoros legte den Papyros auf die Tischplatte, faltete die Hände wieder hinter dem Kopf und legte diesmal nur ein Bein auf den Tisch. »Nein, Römer. Er ist ganz kurz danach getötet worden – vielleicht eine Stunde, nachdem er das Gasthaus verlassen hatte. Er hat etwas gegessen, bevor er starb.« Er hielt einen Augenblick inne; dann sagte er: »Und zwar unmittelbar davor.«
    Bomilkar kannte diesen Teil der Geschichte bereits; er drehte sich um und blickte auf die breite Straße hinaus – fast ein länglicher Platz zwischen der großen Mauer und den übrigen Festungsgebäuden. Zwei Feger standen neben einem Abfallhaufen, auf die Besen gestützt, und starrten einander an, ohne zu reden. Irgendwo blies ein Elefant seine Trübsal in den Morgenhimmel. Weiter weg, nur für scharfe Ohren kenntlich, war das rhythmische dzinng-plok einer Gruppe übender Bogenschützen zu hören. Drei dunkle Vögel hockten auf der Kante des zweiten Stallgebäudes, und hinter oder unter allem schwappte wie träger Brei das Gemenge der Geräusche der Stadt und all der Menschen, die arbeiteten und redeten und schimpften und lachten und schritten.
    »Unmittelbar?« Laetilius klang ungläubig. »Wie willst du das wissen?«

    »Du hast doch von den Gepflogenheiten der Ptolemaier gehört, nicht wahr?«
    »Ja. Hast du so viele verurteilte Verbrecher aufschneiden dürfen, daß du genau sagen kannst, wann die Verdauung endet und der Tod endgültig eintritt?«
    Bomilkar lauschte nur zerstreut, da er den Befund längst kannte. Artemidoros versuchte, dem Römer alles möglichst genau auseinanderzusetzen: Tod unmittelbar nach dem Ende der Mahlzeit; kaum verdautes Essen im Magen, einiges gänzlich unverdaut noch in der Speiseröhre. Marcus Lavinius war vermutlich von einem Mann, mit dem er gegessen hatte, ermordet worden; wenn Bomilkar alle Einzelheiten zusammensetzte, ergab sich ein Bild, bei dem allerdings zwei wichtige Dinge fehlten: das Gesicht des Mörders und der genaue Platz der Tat. Im Geiste sah er mehrere Männer im Hof einer guten Schänke sitzen – ein Hof mit Beeten und Statuen, Wasser und Blumen, Tischen und gepolsterten Bänken. Sklaven brachten Platten und Krüge, und die Männer aßen und plauderten.
    Streit? Vielleicht hatte es einen Streit gegeben; vielleicht war aber der Tod des Lavinius Teil der Speisenfolge, gewissermaßen – man lud ihn ein, um ihn noch einmal auszuhorchen und dann zu beseitigen. Oder es hatte wirklich Streit gegeben, aber dann hätte sich der Römer doch wohl gewehrt. Nein, eher eine

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