Das Gold von Karthago
geplante Beseitigung, dachte Bomilkar. Jemand greift von hinten in die Haare des Römers, biegt den Kopf gewaltsam zurück, bringt einen schnellen Schnitt an, der von einem Ohr zum anderen reicht. Lavinius stürzt, verblutet zuckend; seine Hände tasten umher, krallen sich in den weichen Boden: Artemidoros hatte unter den Fingernägeln reichlich schwarze, fruchtbare Erde gefunden.
Die Männer (es konnte nicht nur einer gewesen sein) warten, bis der Römer tot und ausgeblutet ist; dann nehmen sie ihm alles ab, was er bei sich trägt, rollen ihn in eine große Decke (einige Wollfasern ließen sich so erklären,
hatte der Arzt gesagt), tragen ihn zu einem Karren, bringen ihn aus der Stadt und lassen ihn in Hamilkars Garten liegen. So. Oder anders?
»Die Hände«, sagte Artemidoros eben, »haben in schwarzer Erde gewühlt. Die Leiche war barfuß, und die Füße waren beinahe peinlich sauber. Ich nehme an, er hat in einer Schänke gegessen, wo man den Gästen zu erhöhter Behaglichkeit ein Becken mit Duftwässern für die Füße hinstellt. An seinen Füßen haftete noch ein Hauch von Blütenblättern und allerlei Ölen.«
Dann kamen die Einzelheiten, die Laetilius nur mühsam glauben mochte, wenn überhaupt. Bomilkar kannte Artemidoros lange und gut genug und wußte, welche Zaubereien der Arzt mit winzigen Stückchen eines Toten anstellen konnte. Er hatte keine Mühe, ihm all dies abzunehmen: daß Lavinius etwa fünfzehn Stunden vor der ersten, flüchtigen Untersuchung, die Artemidoros noch in Hamilkars Garten vornahm, getötet worden sei und etwa zwölf Stunden dort gelegen habe; daß der Mord zwischen Hauptmahl und Nachspeise stattgefunden haben müsse, da der Inhalt von Magen und Speiseröhre von einem edlen Mahl berichte, und zu einem edlen Mahl gehöre eben eine Nachspeise, die Lavinius aber nicht zu sich genommen habe; daß er Fisch gegessen habe – »vermutlich eine Barbe« –, Hunderücken in Honigkruste, mit Lauch und Silphionblättern, dazu kaum verdünnten guten Wein – »aus der Byssatis, nehme ich an, wenn nicht gar von Rhodos«.
Als sie den Arzt verließen, war Laetilius noch immer ungläubig, aber nicht sprachlos. Zunächst lehnte er es ab, sich von einem Punier, der gar nicht mit ihm zusammenarbeiten wolle, die Festung zeigen zu lassen. Dann fragte er, ob man unbedingt Zeit vergeuden und zu Fuß zu Hamilkars Landgut hinausgehen müsse. Als Bomilkar zwei Pferde mit Satteldecken und Zaumzeug bringen ließ, auf denen
sie zum Nordende der Festung ritten, murmelte der Römer unausgesetzt vor sich hin.
»Silphionblätter – Barbe, pah! Teurer Wein. Fünfzehn Stunden. Und die letzten Worte von Marcus kann er nicht aus der Stellung der Zehen lesen? Alberner Aufschneider…«
Bomilkar ließ ihn zetern. Er hätte nicht gewußt, wie er ihn davon abhalten sollte, außer durch einen Knebel; es kam hinzu, daß er später noch ein paar Einzelheiten zu erörtern haben würde, die der Römer vielleicht dann annehmen konnte, wenn er sich beruhigt hatte, aber gewiß nicht jetzt.
Am Ende der Isthmosmauer ritten sie durch ein niedriges Tor. Wo die dreifache, uneinnehmbare Festung endete, begann die nach Norden, später, immer der Küste folgend, nach Osten führende Seemauer; außerdem waren Stadt und nördliche Vorstadt voneinander durch die Byrsamauer getrennt, die am Stadthügel begann und ostwestlich verlief, bis sie im rechten Winkel auf das Nordende der Festung stieß. Es gab mehrere Durchlässe, alle so niedrig, daß Reiter sich ducken mußten.
Jenseits der Byrsamauer lag die grüne Hügellandschaft des Makar, von den Hellenen die Megara genannt. Hier gab es Obst- und Gemüsefelder, Haine, Dattelpalmen, Pferdeweiden; und die großen Landhäuser der Reichen.
Stille; nur das dumpfe Pochen der Pferdehufe auf dem erdigen Weg. Laetilius schwieg endlich. Die Geräusche der riesigen Stadt waren verschollen, die Gerüche geschwunden: Ausdünstungen von Menschen und Tieren, von Hölzern und Steinen und Stoffen. Der warme Landwind, der die Wolken verweht und die Stadt kaum weniger stickig gemacht hatte, war mit dem Morgen vergangen. Hier draußen kam ein schwacher, frischer Hauch vom Meer. Salz war darin, Weite; und der Duft von tausend Sommerpflanzen. Bomilkar atmete tief. Etwas löste sich in ihm; der nächste Atemzug schien in eine freiere Brust zu strömen.
Er sah die glitzernde Fläche der seichten Bucht mit ihren Inselchen links vor sich, dahinter und im Norden das Meer. Von irgendwo, wie durch den Wind
Weitere Kostenlose Bücher