Das Grab der Königin
können, wenn es hart auf hart ging, aber daran wollte ich nicht so recht glauben.
Es kostete Suko schon Überwindung, seinen Arm vorzustrecken und die gespreizten Finger in das dichte Fell des Wolfes zu schieben. Wir sahen, wie seine Hand hineinglitt, und bekamen auch mit, was plötzlich geschah.
Durch die Berührung mußte so etwas wie ein magischer Kontakt geschlossen worden sein.
Ein Zittern lief durch den Körper des Wolfes. Davon erholte er sich nicht, denn einen Moment später gaben die Beine nach und zerfielen — wie auch der Oberkörper, zu Staub. Die mehligen Körner vermischten sich mit dem Sand auf den Stufen.
»Geahnt!« hauchte Jenna. »Ich habe es schon geahnt, als ich sah, daß sich die Bestien nicht mehr bewegten. Das ist…« Sie suchte nach Worten.
»Magie«, sagte ich. »Eine alte Magie, die Feinde erstarren läßt. Seien wir froh, daß es so gekommen ist. Die Wölfe können uns nicht mehr gefährlich werden.«
Der Meinung war Suko auch. »Es muß an diesem Licht gelegen haben«, sagte er. »Es bedeutete für manche den Tod.«
»Nur für uns nicht, hoffe ich.«
»Okay, gehen wir weiter.«
Morgana Layton drehte uns nach wie vor ihren Rücken zu. Obwohl sie einen gewissen Sex aussstrahlte, besaß sie doch irgendwie eine Männerfigur. Es mochte an den überbreiten Schultern liegen und auch an den kräftigen Beinen, die das staubbedeckte Leder umspannte. Der Sand auf den Stufen gereichte uns zum Vorteil. So konnten wir so gut wie lautlos die Treppe hinabsteigen. Nur ein sehr leises Knirschen oder Schaben war zu hören.
Die Lage am Grabrand spitzte sich zu. Keine der beiden war bereit, nachzugeben. Es konnte nur eine geben. Keiner von uns konnte sagen, wie der Kampf ausgehen würde.
Ich hätte gern einen Schluck Wasser getrunken, denn auch in meiner Kehle hatte sich so etwas wie eine Wüste gebildet. Der Hals kam mir völlig ausgetrocknet vor. Nur mehr wenige Stufen trennten uns von unserem Ziel. Morgana hatte noch immer nichts bemerkt, aber Jenna, die zufällig einen Blick gegen den Himmel warf, sah auch den Mond. Ihr Arm schnellte in die Höhe. Der ausgestreckte Zeigefinger deutete auf die gewaltige Wolfsschnauze, die sich wie ein Scherenschnitt vor den runden Erdtrabanten geschoben hatte.
»Verdammt!« sagte Suko.
Ich hauchte. »Das ist Fenris, der Götterwolf!«
»Was bedeutet das?« fragte Jenna.
»Kann ich dir nicht genau sagen. Mir ist nur klar, daß wir nicht mehr lange warten dürfen.«
Ich hatte recht, denn Morgana Layton wollte endlich die Entscheidung und war auch bereit, den Dunklen Gral durch einen Fußtritt zu zerstören…
***
Die Königin von Saba, die auf der Altarplatte stand, hatte die Worte ebenfalls sehr deutlich verstanden. Sie sah auch, wie ihre Gegnerin den Fuß hob.
Dennoch verfiel sie nicht in Panik, denn ihr Blick war auch an der Gestalt der Frau an die Treppe hochgeglitten. Dort sah sie drei Personen, und sie wußte, wer da kam.
In ihren dunklen Augen leuchtete es für einen winzigen Moment auf, was Morgana ebenfalls nicht verborgen blieb. Sie aber interpretierte diese Reaktion falsch und lachte rauh. »Du hast Angst, daß du jetzt vernichtet wirst - oder?«
»Nein, das habe ich nicht.«
»Dann komm endlich aus deinem verdammten Grab. Ich will dich…«
»Ich werde nicht kommen!« sprach die Königin in den Satz hinein. »Ich würde dir den Rat geben, dich umzudrehen. Es ist der einzige Kompromiß, den ich dir anbieten kann.«
»Willst du micht verladen?«
»Nein!«
Morgana zögerte. Noch immer schwebte der Fuß über der Kugel, die zwar ruhig auf der Öffnung lag, wobei sich in ihrem Innern jedoch etwas tat. Da bewegten sich Schlieren, Fäden und Kreise. Magie hatte sie angefüllt, und auch das Licht war intensiver geworden.
»Mach es!«
Die zwei von der Königin gesprochenen Worte wirkten bei Morgana Layton. Auf einmal wurde ihr bewußt, daß sie nichts mehr von ihren Wölfen gehört hatte.
Noch einmal schaute sie mit kalt funkelnden Augen auf die Königin, setzte ihren zweiten Fuß neben den Gral, um einen besseren Stand zu bekommen, und drehte sich auf der Stelle…
***
»Hallo Morgana!« sagte ich.
Sie stand vor uns und mußte hochschauen, um uns in die Gesichter blicken zu können.
Wir sahen auch ihr Gesicht.
Bleich und mit türkisfarbenen Schatten versehen. So sah keine Haut aus, eher Stein.
Aber der zog sich auseinander wie Gummi, als sie die Lippen bewegte.
»Sinclair, du Hund!«
»Danke!«
Sie ballte die Hände. »Du hast es
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