Das Grab der Königin
vertraute.
Für die junge Wissenschaftlerin war diese Tatsache kaum zu fassen. Ausgerechnet sie war von der Königin auserwählt worden, sie möglicherweise zu retten.
Allein jedoch stand sie den ungeheuren Problemen hilflos gegenüber. Deshalb hatte sie beim letzten Anruf einen Namen genannt, den auch die Grabhüter genau verstanden hatten.
John Sinclair!
Er war derjenige, der ebenfalls Kontakt zur Königin von Saba gehabt hatte. Zudem galt er als Todfeind Nummer eins der grausamen schwarzen Mächte. Nicht grundlos hatte man ihm den Namen Geisterjäger gegeben, denn er kümmerte sich um Dinge und Vorgänge, wo ein normaler Polizist das Handtuch warf.
Jenna und er mochten sich. Zwischen den beiden herrschte so etwas wie eine gute, tiefe Freundschaft. Sie besaßen die gleiche Wellenlänge und glaubten beide an gewisse Dinge, über die andere Personen nur lächelten.
Sollten sie lächeln - irgendwann jedoch würden sie eines Besseren belehrt werden.
Nach Jennas Anruf hatte John Sinclair sofort zugestimmt. Beide wollten sich in einer Teestube treffen, die nicht weit von der Wohnung der Wissenschaftlerin entfernt lag.
Natürlich war auch John Sinclair stark daran interessiert, das Geheimnis der Königin herauszufinden, und Morgana Layton gehörte nicht gerade zu seinen Freunden, auch wenn diese Person - mal Mensch, mal Wolf — ein schlimmes Schicksal hinter sich hatte.
Jenna schaute auf die Uhr. Sie hätte sich gern forden Nachmittag verabredet gehabt, da war der Geisterjäger jedoch in einer Besprechung gewesen. So blieb nur der Abend.
Den Weg bis zur Teestube wollte sie zu Fuß zurücklegen. Sie hätte John auch zu sich bitten können, doch sie wollte mal raus aus der Wohnung und in einer fremden Umgebung mit dem Geisterjäger sprechen. Die Einrichtung der Wohnung zeugte davon, welchen Beruf Jenna Jensen ausübte. Von ihren Reisen hatte sie sich stets Souvenirs mitgebracht, die an den Wänden hingen oder als Plastiken auf dem Boden standen. Schöne Dinge, über die manche Besucher staunten, vor allen Dingen dann, wenn Jenna ihnen genau die Herkunft und die Historie dieser Fundstücke erklären konnte.
Sie ging in den Flur und schaltete dort das Ficht ein. Der warme, helle Thermomantel hing an der Garderobe. Sie würde ihn überstreifen müssen, auch wenn die Strecke nicht lang war. Aber der in die Straßen blasende Nordwind biß in die Haut und kühlte sie stark durch. Jenna betrachtete sich im hohen Spiegel. Sie war in der letzten Zeit schmal geworden, eigentlich noch schmaler als früher. Das galt besonders dem Gesicht. Es zeigte einen aparten Schnitt mit einer sehr weich wirkenden Haut. Das Gestell der schmalen Brille besaß die gleiche braune Farbe wie ihr Haar, die sich in den Augenbrauen wiederholte.
Ihre Hand berührte bereits den Mantel, als die Türklingel anschlug. So überraschend für Jenna, daß sie zusammenzuckte.
Wer konnte das sein? Eingeladen hatte sie keinen Menschen. Vielleicht John Sinclair, der es sich anders überlegt hatte. Mit einem etwas unruhigen Gefühl ging Jenna auf die Tür zu. Leider besaß sie kein Guckloch, durch das sie hätte schauen können. So öffnete sie die Tür einen Spalt, blickte in den Flur und sah direkt in das Gesicht einer vor der Tür stehenden Frau.
Es war eine Bekannte, wenn auch nicht gerade eine Freundin von ihr. Im Flur stand - mit einem kalten Lächeln auf den etwas breiten Lippen - Morgana Layton!
***
Mit jedem Besucher hatte Jenna Jensen gerechnet, nur nicht mit ihr. Durch ihren Körper raste ein heißer Blitz. Ihr wurde warm, dennoch verlor sie die Farbe aus dem Gesicht.
Morgana behielt das Lächeln bei. »Hallo, Jenna. Möchtest du mich nicht hineinlassen?«
Die Wissenschaftlerin schüttelte den Kopf. Sie wollte die Tür auch wieder zudrücken. Damit hatte Morgana wohl gerechnet und ihren Fuß so hochgekantet, daß die Tür dagegenstoßen mußte.
»Aber nicht doch. Seit wann bist du so unhöflich einer Freundin gegenüber?«
»Geh! Du bist nicht meine Freundin!«
»Doch, das bin ich. Ich kam, um dich vor Schaden zu bewahren. So etwas sollte unter Freundinnen doch selbstverständlich sein. Meinst du nicht auch, Jenna?«
»Nein, ich wollte…«
»Ich weiß, daß du weggehen wolltest, aber nicht mit mir, kleine Jenna.«
Sie drückte mit der flachen Hand gegen die Tür und bewies, welch eine Kraft in ihr steckte. Obwohl Jenna sich dagegenstemmte, konnte sie dem Druck nicht standhalten.
»Ich werde schreien, ich…«
»Ach, kleine Jenna.«
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