Das Grab des Ghouls
ihn zukam, wollte sich zur Seite werfen, verlor dabei sein Handy und wurde doch von den langen Armen mit den Krallenklauen erwischt.
Dem Ansprung hatte er nichts entgegenzusetzen. Er rutschte weg, verlor den Halt, stolperte über seine eigenen Füße und fiel schräg nach hinten.
Er wunderte sich darüber, wie weich er aufprallte, und ihm wurde erst wenig später bewusst, dass die Kreatur ihn rücklings auf das Grab geschleudert hatte.
Desmond Wayne war noch immer so stark geschockt, dass er es nicht schaffte, sich zur Seite zu drehen und in die Höhe zu kommen. Wieder war das Untier schneller.
Es setzte zu einem nächsten Sprung an und hieb die Pranken in die beiden Schulterseiten. Gleichzeitig hüpfte es auf den Körper und blieb darauf hocken.
Desmond spürte das Gewicht der Kreatur und merkte, dass die weiche Erde unter ihm leicht nachgab. Er kam sich vor, als sollte er in das Grab hineingepresst werden.
Luft. Er schnappte nach Luft. Es gelang ihm kaum, denn das Gewicht auf seiner Brust war einfach zu stark. Schatten und Nebel tanzten vor seinen Augen. Er wusste nicht mehr, was er noch unternehmen sollte. Seine Welt war plötzlich eine andere geworden. Das große Grauen und die Angst vor dem Sterben hielten ihn im Griff.
Heißer keuchender Atem fegte in sein Gesicht. Der widerliche Gestank raubte ihm den Atem. Er war von einem Moment zum anderen aus seinem normalen Leben in eine fürchterliche Lage hineingeraten, die er nur mit akuter Lebensgefahr umschreiben konnte.
Das Monster auf seinem Körper gab Geräusche ab, die er bisher in seinem Leben noch nie gehört hatte. Sie klangen böse, sie drangen tief aus der Kehle, und Desmond wollte es mit einem Gegendruck versuchen, um die Bestie von seinem Körper zu schleudern.
Es klappte nicht.
Sie war stärker.
Der widerliche Schädel mit der langen Schnauze zuckte nach unten, und dann biss die Kreatur zu...
***
Die Tafel war gedeckt. Die Menschen waren zufrieden. Es gab einen kräftigen Eintopf aus Lammfleisch und Bohnen. Gut gewürzt, sehr sättigend und auch Durst machend. Auf der Fahrt hatten sich die Reisenden schon beschnuppern können. Da saß niemand schweigend am Tisch.
Rita McQueen konnte zufrieden sein. Ihr Platz war stets am Kopfende. Von hier aus hatte sie alles im Blick, und wenn sie etwas zu sagen hatte, brauchte sie nur nach vorn zu schauen, um die Reisenden zu sehen, und sich nicht erst den Kopf zu verrenken.
Vier Schüsseln standen auf dem Tisch, aus denen sich jeder bedienen konnte. Ein älterer Mann hatte die Idee gehabt, eine Runde Bier zu geben, und zwei Kellnerinnen schleppten die schweren Tabletts mit den achtzehn gefüllten Krügen.
Mit Rita war der Bus mit neunzehn Personen besetzt gewesen. Da aber einer fehlte, waren es nur achtzehn.
»Ahhh... endlich kommt der Saft!«, rief der Rundengeber und hob seinen Krug.
Alle anderen taten es ihm nach.
»Darf ich einen Spruch loswerden, Rita?«
»Bitte.«
»Okay, Freunde. Dann trinke ich schon mal auf die nächste Nacht, wo wir, die Sterblichen, eintauchen in die Welt der Geister und sie das Heulen und Zähneklappern lehren. Na, ist das was?«
Damit hatte er genau ins Schwarze getroffen. Es gab keinen, der nicht begeistert gewesen wäre. Jeder trank mit Genuss, und auch Rita McQueen machte mit, wobei sie allerdings nur einen kleinen Schluck nahm und ansonsten die Lippen zu einem säuerlichen und vielleicht auch wissenden Lächeln verzogen hatte.
»He!«, rief der Rundenmann, der am Ende der Tafel saß. »Sie waren doch schon öfter hier, Rita. Haben Sie die Geister schon mal gesehen?«
»Nicht immer.«
»Ha, ha – aber immer öfter, wie?«
Wieder lachten alle. Nur Rita blieb ernst. Sie sagte, als wieder Ruhe eingekehrt war: »Sie sollten das alles nicht zu sehr auf die leichte Schulter nehmen. Die andere Welt versteht oft keinen Spaß, das muss Ihnen schon klar sein.«
»Was machen Sie denn?«, rief eine Frau mit hoher Stimme.
»Es kommt darauf an, wie sie drauf sind.« Rita lächelte hintergründig. »Aber rechnen Sie nicht nur mit Geistern, denn es gibt auch andere Geschöpfe der Nacht.«
»Ach, welche denn?«
Rita McQueen breitete die angewinkelten Arme leicht aus. »Das kann ich Ihnen beim besten Willen nicht sagen. Es kommt immer auf die Situation an.«
»Und was machen wir, wenn wir solche Typen sehen?«, fragte jemand.
»Am besten nichts.«
»Wie – nichts?«
»Verhalten Sie sich ruhig. Und hoffen Sie, dass diese... Typen keinen Hunger haben.«
Die Antwort
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