Das grosse Maerchenbuch - 300 Maerchen zum Traeumen
meiner Gemahlin vorbeifliegen, zwischen zwei andern, da müsse sie mich fangen und mir den Kopf abhauen, und fange sie mich nicht, oder eine unrechte, und ich sei einmal vorbeigeflogen, so sei alles vorbei und keine Erlösung mehr möglich: darum hab ich dich gebeten, ja recht Acht zu haben, denn ich bin das graue Männlein und du meine Gemahlin.“
Da war die Prinzessin vergnügt, und sie gingen zusammen zu ihrem Vater, und als der starb, erbten sie das Reich.
Die zwölf Jäger
Es war einmal ein Königssohn, der hatte eine Braut und hatte sie sehr lieb. Als er nun bei ihr saß und ganz vergnügt war, da kam die Nachricht, dass sein Vater tot krank läge und ihn noch vor seinem Ende zu sehen verlangte. Da sprach er zu seiner Liebsten „ich muss nun fort und muss dich verlassen, da geb ich dir einen Ring zu meinem Andenken. Wann ich König bin, komm ich wieder und hol dich heim.“ Da ritt er fort, und als er bei seinem Vater anlangte, war dieser sterbenskrank und dem Tode nah. Er sprach zu ihm „liebster Sohn, ich habe dich vor meinem Ende noch einmal sehen wollen, versprich mir nach meinem Willen dich zu verheiraten“ und nannte ihm eine gewisse Königstochter, die sollte seine Gemahlin werden. Der Sohn war so betrübt, dass er sich gar nicht bedachte, sondern sprach „ja lieber Vater, was euer Wille ist, soll geschehen,“ und darauf schloss der König die Augen und starb.
Als nun der Sohn zum König ausgerufen und die Trauerzeit verflossen war, musste er das Versprechen halten, das er seinem Vater gegeben hatte, und ließ um die Königstochter werben, und sie ward ihm auch zugesagt. Das hörte seine erste Braut und grämte sich über die Untreue so sehr, dass sie fast verging. Da sprach ihr Vater zu ihr „liebstes Kind, warum bist du so traurig? Was du dir wünschest, das sollst du haben.“ Sie bedachte sich einen Augenblick, dann sprach sie „lieber Vater, ich wünsche mir elf Mädchen, von Angesicht Gestalt und Wuchs mir völlig gleich.“ Sprach der König „wenns möglich ist, soll dein Wunsch erfüllt werden“ und ließ in seinem ganzen Reich so lange suchen, bis elf Jungfrauen gefunden waren, seiner Tochter von Angesicht Gestalt und Wuchs völlig gleich.
Als sie zu der Königstochter kamen, ließ diese zwölf Jägerkleider machen, eins wie das andere, und die elf Jungfrauen mussten die Jägerkleider anziehen, und sie selber zog das zwölfte an. Darauf nahm sie Abschied von ihrem Vater und ritt mit ihnen fort und ritt an den Hof ihres ehemaligen Bräutigams, den sie so sehr liebte. Da fragte sie an, ob er Jäger brauchte und ob er sie nicht alle zusammen in seinen Dienst nehmen wollte. Der König sah sie an und erkannte sie nicht; weil es aber so schöne Leute waren, sprach er ja, er wollte sie gerne nehmen; und da waren sie die zwölf Jäger des Königs.
Der König aber hatte einen Löwen, das war ein wunderliches Tier, denn er wusste alles Verborgene und Heimliche. Es trug sich zu, dass er eines Abends zum König sprach „du meinst du hättest da zwölf Jäger?“ „Ja“, sagte der König, „zwölf Jäger sinds.“ Sprach der Löwe weiter „du irrst dich, das sind zwölf Mädchen.“ Antwortete der König „das ist nimmermehr wahr, wie willst du mir das beweisen?“ „O, lass nur Erbsen in dein Vorzimmer streuen“, antwortete der Löwe, „da wirst dus gleich sehen. Männer haben einen festen Tritt, wenn die über Erbsen hingehen, regt sich keine, aber Mädchen, die trippeln und trappeln und schlurfeln, und die Erbsen rollen.“ Dem König gefiel der Rat wohl, und er ließ die Erbsen streuen.
Es war aber ein Diener des Königs, der war den Jägern gut, und wie er hörte, dass sie sollten auf die Probe gestellt werden, ging er hin und erzählte ihnen alles wieder, und sprach „der Löwe will dem König weis machen, ihr wärt Mädchen.“ Da dankte ihm die Königstochter und sprach hernach zu ihren Jungfrauen „tut euch Gewalt an und tretet fest auf die Erbsen.“ Als nun der König am andern Morgen die zwölf Jäger zu sich rufen ließ, und sie ins Vorzimmer kamen, wo die Erbsen lagen, so traten sie so fest darauf und hatten einen so sichern starken Gang, dass auch nicht eine rollte, oder sich bewegte. Da gingen sie wieder fort, und der König sprach zum Löwen „du hast mich belogen, sie gehen ja wie Männer.“ Antwortete der Löwe „sie habens gewusst, dass sie sollten auf die Probe gestellt werden, und haben sich Gewalt angetan. Lass nur einmal zwölf Spinnräder ins
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