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Das göttliche Dutzend

Das göttliche Dutzend

Titel: Das göttliche Dutzend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
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DER TOD EINES WANDERPREDIGERS
     
     
    Ein früh aufgestandener Gecko blinzelte den Schatten an, der über die Sonnenuhr kroch, zuckte die geschuppten Achseln und verdrückte sich außer Hörweite. Er kannte das Leben in der Gebirgsstadt Axolotl seit Jahren aus erster Klaue und wußte, daß die Ruhe nicht mehr lange währen würde. Morgens im Heydenpark dauerte sie nie lange.
    Und heute war es nicht anders.
    Das Knirschen eifriger Schritte erklang auf den sonnengebleichten Kieseln des Xhen-Steingartens, und eine Gestalt in schwarzer Soutane und dazu passendem Scheitelkäppchen eilte über die gewundenen Rinnen des fünfzig Fuß breiten Platzes, wobei sie einen großen Koffer fest in der Hand hielt. Blicke nach links, Blicke nach rechts – ob sich da noch etwas anderes bewegte, ob es Konkurrenz gab? Er war nicht hergekommen, um seinen Platz in letzter Minute zu verlieren. O nein. Nicht, nachdem er den verdammten Koffer drei Tage lang über die endlosen Berge geschleppt hatte. Auf keinen Fall! Dafür stand viel zu viel Geld auf dem Spiel.
    Plötzlich bemerkte er aus dem Augenwinkel eine Bewegung – das Wedeln eines Zweiges und eine kurz sichtbare Toga. Sein Herzschlag setzte kurz aus, er biß die Zähne zusammen und hastete voran. Die Gestalt mit der Toga brach aus einer Kaktushecke hervor, bemerkte ihn und verdoppelte sofort mit lauten Rufen ihre Geschwindigkeit. Ihre Fersen wirbelten weiße Kiesel auf, und sie lief immer schneller geradewegs auf eine leuchtend weiße Marmorsäule zu.
    Verzweifelt schwang der Mann mit der Soutane den Koffer in weitem Bogen und ließ ihn los. Begeistert sah er zu, wie er auf sein Opfer zuflog. Der Koffer prallte geröllsprühend vom Boden ab und traf mit unwiderstehlichem Schwung ein Paar sprintender Knöchel, so daß der Mann in der Toga im hohen Bogen in eine Kaktushecke flog und einen Kondensstreifen von Flüchen hinter sich herzog.
    Mietprediger Gottfried Zorn ballte siegreich die Faust, packte seinen Koffer und hechtete auf die unterste Stufe der Säule im Predigereck. Er hatte es geschafft. Er hatte seine Ansprüche geltend gemacht und sich soviel Predigtzeit gesichert, wie er bis zum nächsten Morgen um neun brauchte, wenn alles wieder von vorn losging.
    Er stieß einen tiefen Seufzer aus und machte sich fieberhaft daran, den Koffer auszupacken. Er hatte vor, das Beste daraus zu machen, daß ihm nun das schönste Fleckchen der Gebirgsstadt Axolotl für eine Predigt zur Verfügung stand.
    Der Gecko rümpfte seine nicht vorhandene Nase und fragte sich träge, warum sie sich so früh am Tag dermaßen anstrengten. Warum suchten sich nicht alle einen Felsen und sonnten sich schön, wie es doch jedes Geschöpf tun sollte? Kopfschüttelnd murmelte er ein paar reptilische Vorurteile über die Dummheit der Säugetiere vor sich hin und glitt von dannen, während ein Mann in einer dunkelgrauen Tunika durch den Xhen-Steingarten gejapst kam.
    »Was soll das denn, einfach so wegzulaufen?« schnaufte er den Mietprediger Gottfried Zorn von der Mission der Heiligen Laudatia an. »Wenn ich mich jetzt verlaufen hätte, oder …«
    »Konkurrenz, Hausyrrer«, antwortete Zorn und deutete auf den Mann mit der Toga, der grollend Kaktusstacheln aus seinen empfindlichen Körperteilen zog.
    »Was denn für ’ne Konkurrenz?« krächzte der Mann mit dem schütteren Haar und fügte hinzu: »Und für Sie immer noch Herr Hausyrrer!«
    Gottfried Zorn überhörte die letzte Äußerung und entfaltete eine große, zusammenklappbare, mit glänzenden Illustrationen bedeckte Pappe. »Genau, wie ich es Ihnen auf dem Hinweg erklärt habe«, murmelte er. »Alter axolotischer Brauch. Wer zuerst kommt, bekehrt die meisten.«
    Hausyrrer wischte sich die Stirn ab und stierte um sich. »Wollen Sie etwa sagen, das hier sei das Predigereck?«
    »Was haben denn Sie erwartet? Blinkende Kerzen? Oder vielleicht ein Amphitheater?«
    »Aber es ist so klein!«
    Zorn machte eine wegwerfende Handbewegung. »Wie ich schon meinen kleinwüchsigen Freunden mehrfach erklärt habe: die Größe ist völlig unbedeutend. Es kommt darauf an, was man aus ihr macht. Glauben Sie’s mir ruhig, in ein paar Minuten platzt es hier aus allen Nähten.«
    »Nicht, wenn ich es verhindern kann«, sagte der Mann in der Toga herausfordernd und starrte Zorn an. »Sie sind jede Woche hier und leiern immer wieder dieselben alten …«
    »Ach, halten Sie doch die Klappe! Sie sind bloß sauer, weil ich Sie schon wieder geschlagen habe. Ich war als erster

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