Das grosse Maerchenbuch - 300 Maerchen zum Traeumen
„Das lass ich mir gefallen,“ sagte der Schneider, „dann brauch ich mich mit der Nadel nicht weiter zu quälen,“ sprang selbst fort, und rief die Verwandten herbei. Sobald sie beisammen waren, hieß sie der Müller Platz machen, breitete sein Tuch aus, und brachte den Esel in die Stube. „Jetzt gebt acht“, sagte er und rief „Bricklebrit,“ aber es waren keine Goldstücke was herabfiel, und es zeigte sich, dass das Tier nichts von der Kunst verstand, denn es bringts nicht jeder Esel so weit. Da machte der arme Müller ein langes Gesicht, sah dass er betrogen war und bat die Verwandten um Verzeihung, die so arm heim gingen, als sie gekommen waren. Es blieb nichts übrig, der Alte musste wieder nach der Nadel greifen, und der Junge sich bei einem Müller verdingen.
Der dritte Bruder war zu einem Drechsler in die Lehre gegangen, und weil es ein kunstreiches Handwerk ist, musste er am längsten lernen. Seine Brüder aber meldeten ihm in einem Briefe wie schlimm es ihnen ergangen wäre, und wie sie der Wirt noch am letzten Abende um ihre schönen Wünschdinge gebracht hätte. Als der Drechsler nun ausgelernt hatte und wandern sollte, so schenkte ihm sein Meister, weil er sich so wohl gehalten, einen Sack, und sagte „es liegt ein Knüppel darin.“ „Den Sack kann ich umhängen, und er kann mir gute Dienste leisten, aber was soll der Knüppel darin? Der macht ihn nur schwer.“ „Das will ich dir sagen,“ antwortete der Meister, „hat dir jemand etwas zu leid getan, so sprich nur „Knüppel, aus dem Sack,“ so springt dir der Knüppel heraus unter die Leute und tanzt ihnen so lustig auf dem Rücken herum, dass sie sich acht Tage lang nicht regen und bewegen können; und eher lässt er nicht ab als bis du sagst: „Knüppel, in den Sack.“ Der Gesell dankte ihm, hing den Sack um, und wenn ihm jemand zu nahe kam und auf den Leib wollte, so sprach er „Knüppel, aus dem Sack,“ alsbald sprang der Knüppel heraus und klopfte einem nach dem andern den Rock oder Wams gleich auf dem Rücken aus, und wartete nicht erst bis er ihn ausgezogen hatte; und das ging so geschwind, dass eh sichs einer versah die Reihe schon an ihm war. Der junge Drechsler langte zur Abendzeit in dem Wirtshaus an, wo seine Brüder waren betrogen worden. Er legte seinen Ranzen vor sich auf den Tisch und fing an zu erzählen was er alles merkwürdiges in der Welt gesehen habe. „Ja,“ sagte er, „man findet wohl ein Tischchen deck dich, einen Goldesel und dergleichen: lauter gute Dinge, die ich nicht verachte, aber das ist alles nichts gegen den Schatz, den ich mir erworben habe und mit mir da in meinem Sack führe.“ Der Wirt spitzte die Ohren: „was in aller Welt mag das sein?“ dachte er „der Sack ist wohl mit lauter Edelsteinen angefüllt; den sollte ich billig auch noch haben, denn aller guten Dinge sind drei.“ Als Schlafenszeit war, streckte sich der Gast auf die Bank und legte seinen Sack als Kopfkissen unter. Der Wirt als er meinte der Gast läge in tiefem Schlaf, ging herbei, rückte und zog ganz sachte und vorsichtig an dem Sack, ob er ihn vielleicht wegziehen und einen andern unterlegen könnte. Der Drechsler aber hatte schon lange darauf gewartet, wie nun der Wirt eben einen herzhaften Ruck tun wollte, rief er „Knüppel, aus dem Sack.“ Alsbald fuhr das Knüppelchen heraus, dem Wirt auf den Leib, und rieb ihm die Nähte dass es eine Art hatte. Der Wirt schrie zum Erbarmen, aber je lauter er schrie, desto kräftiger schlug der Knüppel ihm den Tact dazu auf dem Rücken, bis er endlich erschöpft zur Erde fiel. Da sprach der Drechsler „wo du das Tischchen deck dich und den Goldesel nicht wieder heraus gibst, so soll der Tanz von neuem angehen.“ „Ach nein,“ rief der Wirt ganz kleinlaut, „ich gebe alles gerne wieder heraus, lasst nur den verwünschten Kobold wieder in den Sack kriechen.“ Da sprach der Geselle „ich will Gnade für Recht ergehen lassen, aber hüte dich vor Schaden!“ dann rief er „Knüppel, in den Sack!“ und ließ ihn ruhen.
Der Drechsler zog am andern Morgen mit dem Tischchen deck dich und dem Goldesel heim zu seinem Vater. Der Schneider freute sich als er ihn wieder sah, und fragte auch ihn was er in der Fremde gelernt hätte. „Lieber Vater,“ antwortete er, „ich bin ein Drechsler geworden.“ „Ein kunstreiches Handwerk,“ sagte der Vater, „was hast du von der Wanderschaft mitgebracht?“ „Ein kostbares Stück, lieber Vater,“ antwortete der Sohn, „einen Knüppel
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