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Falkensaga 01 - Der Schrei des Falken

Falkensaga 01 - Der Schrei des Falken

Titel: Falkensaga 01 - Der Schrei des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
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    Alduin kauerte sich flach auf den Felsen und kroch langsam vorwärts. Nach jeder Bewegung blieb er eine Weile regungslos liegen. Der würzig trockene Geruch des erwärmten Steins drang ihm in die Nase. Angestrengt lauschte er auf jedes Geräusch um sicher zu gehen, dass er sich nicht verraten hatte. Aber er hörte nur das Rascheln der Blätter in der leichten Brise; Insekten summten in der Mittagssonne und kleine Eidechsen huschten davon. Behutsam robbte er sich weiter voran. Er hatte beinahe die Felskante erreicht, um einen Blick nach unten zu werfen, als er plötzlich den Schrei des Falken hörte. Er erstarrte und hielt den Atem an. Ein Schatten glitt über ihn hinweg und ein zweiter Schrei gellte so dicht über ihm, dass es all seine Selbstbeherrschung erforderte nicht zusammenzuzucken. Die Falkenmutter war also zurückgekehrt. Alduin wartete, zählte langsam bis hundert. Stille. Geräuschlos streckte er den Kopf vor, bis er endlich in den engen Felsenspalt - kaum eine Körperlänge unter ihm - blicken konnte. Das Falkenweibchen hockte neben einem grau getupften Ei; offenbar hatte es noch nicht bemerkt, dass es beobachtet wurde. Dunkle blaugrüne Federn zogen sich vom Kopf über Nacken und Rücken bis zum Schwanz. Als es sich bewegte, lief das Licht in Wellen über seinen Körper und ließ ein buntes Farbenspiel aus goldenen, purpur- und bronzefarbenen Tupfern aufleuchten. Die Brust des Falkenweibchens war hellblau wie der Himmel an einem herbstlichen Nachmittag, unterbrochen von dunkelblauen Streifen. Ein Gefährte des Weibchens war nirgends zu sehen.
    Plötzlich erhob es stolz den Kopf und starrte Alduin direkt an. Ein Schauder lief ihm Uber den Rücken, als es den durchdringenden Blick erwiderte. Es war ein Blick, in dem uraltes Wissen verborgen lag und der erkannte, dass von Alduin keine Gefahr drohte. Das Falkenweibchen senkte den Kopf wie eine huldvoll grüßende Königin. Danach sah es Alduin noch einmal kurz an, breitete die Flügel aus und schwang sich in den Abgrund. Der Junge vergaß jede Vorsicht und kroch noch weiter vor, um den wunderbaren Flug zu beobachten. Er verlor den Falken kurze Zeit aus dem Blickfeld, aber einen Augenblick später stieg er vor dem dunklen Hintergrund der Fichten in die Höhe und flog nach einem letzten Schrei schnell davon.
    Alduin hatte für all das keine Erklärung. Marvenfalken waren sehr selten und legten ihre Eier gewöhnlich in die höchsten Felsgipfel. Nur Adler konnten dort ihre Horstmulden angreifen - was niemals ohne einen Kampf abging. Zwar wusste man kaum etwas über die Lebensgewohnheiten dieser Falkenart, aber Alduin konnte dennoch kaum glauben, dass das Verhalten des Weibchens normal gewesen war. Das Ei, das es im Schutz der Felsennische zurückgelassen hatte, war nun leichte Beute für jedes Nagetier. Der Falke erwartete doch nicht von ihm, dass er sich daneben setzte und es bewachte, während das Falkenpaar auf Futterjagd ging?
    Doch der Gedanke wühlte ihn auf. Die Falkenmutter wusste genau, dass er sie seit vielen Tagen beobachtete. Das spürte er instinktiv. Aber warum hatte er das Gefühl, dass sie ihm vertraute? Er setzte sich auf und starrte in die Richtung, in die sie geflogen war. Offensichtlich blieb ihm nichts anderes übrig, als das Ei zu bewachen, bis sie zurückkehren würde.
    Die Zeit verging langsam und noch immer waren weder das Weibchen noch sein Gefährte zurückgekehrt. Zunächst machte Alduin sich keine Sorgen; er genoss es, an dieser Stelle zu sitzen. Von hier aus konnte er den Blick weit über bewaldete Hügel und verborgene Täler streifen lassen, bis hin zum silbern glitzernden Band des Flusses. Am Horizont ragten wild gezackte Berggipfel in den tiefblauen Himmel: das Pandarasgebirge. So jedenfalls nannte seine Mutter die Bergkette in der Ferne. Alduin hütete den Namen wie einen Schatz, denn sie sprach nur ganz selten über das, was außerhalb ihrer kleinen Welt lag: der kleinen Lichtung im Wald, die an den Fluss grenzte und in deren Mitte ihr Haus stand. Hatte der Fluss eigentlich einen Namen? Und spielte das eine Rolle? Der Fluss sang im Vorüberziehen, er sang, woher er kam und wohin er ging, fröhliche, aufregende, abenteuerliche Gesänge, aber in einer Sprache, die Alduin noch nicht verstand. Doch zusammen mit dem weiten Ausblick von den Felsen weckte der Flussgesang in ihm eine tiefe Sehnsucht, mehr von der Welt zu sehen, die sich hinter der Lichtung in alle Richtungen erstrecken musste. Manchmal legten Boote am kleinen

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