Das grosse Maerchenbuch - 300 Maerchen zum Traeumen
der zweite Sohn, er wolle nach dem Berg Muntserrat fahren und das Wasser des Lebens holen. Er dachte jedoch dabei nicht an die Rettung seines Vaters, sondern nur an das halbe Königreich. Der alte König aber freute sich, weil er glaubte, das sei pure Liebe und rüstete ihn noch viel schöner aus, als den Aeltesten, gab ihm seinen Segen und fort ging's, dass das Feuer davon stob.
Ueberm Meere kam der Königssohn an dasselbe Wirtshaus, wie sein Bruder. Er setzte sich auch zu den vornehmen Herren an den Tisch und wollte mit ihnen spielen. Sie sagten ihm, das könne er, aber wenn er verliere und nicht bezahle, dann müsse er sterben. Damit hat's gute Wege dachte er und spielte lustig drauf los, bis er Alles verspielt und noch Schulden dazu hatte. Da wurde er eingesteckt und die beiden Brüder konnten sich ihr Leid klagen.
Dem alten Könige wurde die Zeit gar zu lang, denn er konnte sich aus Angst vor dem Tode nicht mehr fassen, und sein Leid wurde erst recht groß, als auch der zweite Sohn nicht wieder kehrte. Sprach der Jüngste eines Tages: „Ich kann die Angst und den Jammer nicht mehr ansehen, ich will Wasser des Lebens holen.“ „Nein,“ rief der König, „ich lasse dich nicht fort, du sollst mir die Augen zudrücken, wenn ich sterbe, denn jetzt ist keine Rettung mehr für mich.“ „Ich schaffe das Wasser des Lebens, gehe es wie es wolle,“ sprach der Jüngste, nahm Abschied von seinem Vater und ritt fort, wie er eben stand und ging, denn es dauerte ihm zu lang, sich erst Wagen, Kisten und Kasten bereit machen zu lassen.
Jenseits des Meeres kam er an das Wirtshaus, ließ sein Pferd füttern und ging hinein. Da saßen die Herren, tranken und spielten und er setzte sich eine Weile zu ihnen, trank auch, aber er spielte nicht, dazu hatte er keine Lust, denn ihm stand der Sinn nur nach dem Berge Muntserrat und dem Wasser des Lebens.
Als er weiter ritt begegnete ihm nahe an dem Berge ein graues Männchen, das frug ihn, wohin er gehe? „Zu dem Schlosse im Berge Muntserrat,“ sprach er. „Dich habe ich schon lang erwartet,“ sprach das graue Männchen, „und wenn du tust, was ich dir sage, wird es dein Schaden nicht sein.“ Er versprach dies gerne und das Männchen gab ihm viele gar guten Rathschläge mit auf den Weg, warnte ihn besonders, nicht zu lange im Schlosse zu verweilen und bald zurückzukehren, es wolle ihn erwarten. Der Jüngling dankte ihm von Herzen und ritt fröhlichen Mutes weiter.
Als er an dem Berge ankam, schlug es elf Uhr und zugleich krachte es in dem Berg, als solle die Welt vergehen, dann sprang er in der Mitte von einander und da lag das schönste Schloss, welches man mit Augen sehen kann. Alles daran war von Gold, bis zu den Ziegeln auf dem Dache, die Fenster sahen aus, als wären sie lauter große Diamanten und glänzten so sehr, dass man nicht dahin sehen konnte. Der Königssohn trat rasch hinzu und durch das große Tor, welches sich von selber vor ihm öffnete, in einen weiten Hof; darin sprangen drei Brunnen nebeneinander. Auf dem ersten stand mit goldnen Buchstaben: „Brunnen der Schönheit,“ auf dem zweiten „Brunnen des Lebens“ und auf dem dritten „Brunnen des Todes.“ In dem ersten wusch er sich, wie ihm das Männchen geraten hatte, und obgleich er sehr schön war, fiel es doch wie Schuppen von seiner Haut und er wurde noch zehntausendmal schöner, als er gewesen war. Dann füllte er aus jedem der Brunnen eine Flasche voll und ging in das Schloss, um dieß zu besehen. Da schienen die größten Herrlichkeiten der Welt zusammengetragen zu sein und das Schloss seines Vaters kam ihm neben diesem, wie ein schlechtes Bauernhaus vor; Alles war Gold, Silber und Edelgestein und ein Zimmer immer schöner, als das andere. In dem allerschönsten Saal aber stand ein Himmelbett mit geschlossenen Vorhängen von Sammet mit prächtigen Stickereien; vor dem Bette lagen auf einem kristallenen Tisch eine goldne Krone, eine goldne Kette, Ohrringe von Diamanten und Armbänder und am Boden standen zwei Frauenschuhe von gestickter Seide. Neugierig trat er leise, leise hinzu und schob die Vorhänge ein wenig zurück und siehe, da lag das schönste Mädchen von der Welt vor ihm. Er küsste sie erst leise, dann kühner, er nahm sie in seine Arme, herzte und drückte sie an sich und betrachtete sie mit wonnelachenden Augen, aber sie schlief so fest, dass sie nicht erwachte. Da war ihm mit einemmale, als hörte er das graue Männchen seinen Namen rufen und es fiel ihm ein, dass es die
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