Das grosse Maerchenbuch - 300 Maerchen zum Traeumen
konnte. Dann musste auch ein Glockenmeister herbei; der machte aus lauter kleinen und großen silbernen Glöckchen ein Glockenspiel, welches so wunderbar schöne Lieder spielte, dass es das größte Meisterstück war, welches man noch gehört hatte. Das wurde in dem Kopf des goldnen Hirsches angebracht und war ein Schnürchen daran, welches in das Innere lief; zog man einmal daran, so fing das Werk an zu spielen, zog man aber zweimal dran, so hörte es auf. Als der Hirsch fertig war, lief die ganze Stadt herbei ihn zu sehn. Der Wirt steckte den Soldaten aber in den Hirsch hinein und Schloss das Thürchen. Wenn nun der Wirt sagte: „Goldhirsch, spiel dein Stücklein,“ so zog der Soldat einmal am Schnürchen, sagte der Wirt aber: „Goldhirsch, es ist genug,“ dann zog er zweimal daran. So spielte der Hirsch, so oft der Wirt es befahl, und keiner konnte begreifen wie das zuging.
Wer war jetzt glücklicher als der Soldat. Schnell ließ er seinen Vater kommen, gab ihm die nötigen Weisungen und nachdem er dem guten Wirte noch von Herzen gedankt hatte, zogen sie ab geraden Weges zur Hauptstadt, wo die Prinzessin unterdessen wieder angekommen war. Dort war der Ruf von dem wunderbaren Goldhirsch schon weit verbreitet und jeder wollte das große Kunstwerk sehen. Des Soldaten Vater aber – denn der Soldat selbst war in dem Hirsch versteckt – sprach, es dürfe keiner den Goldhirsch sehen, bevor der König ihn gesehn habe und er fuhr mit dem prächtigen Tier in den Schlosshof hinein. Dort nahm er die Decken ab, welche es verhüllten und da leuchtete der Hirsch so herrlich in der Sonne, dass man den Glanz kaum aushalten konnte. Der König kam mit seiner Tochter herbei und Beide hatten nicht Worte genug, ihre Verwunderung auszusprechen über das stolze Tier und wie Alles daran so fein gearbeitet war. Als der Vater des Soldaten aber erst rief: „Goldhirsch, spiel dein Stücklein“ und die schönen Lieder erklangen, da konnte sich die Königstochter vor Entzücken nicht länger halten und rief: „Vater, ich will den Hirsch haben, koste er was es wolle.“ Der König hatte seine Tochter allzulieb, als dass er ihr etwas hätte abschlagen können, darum frug er den Vater des Soldaten, was der Hirsch koste und ließ die Summe gleich bezahlen und noch mehr dazu, denn auch er hatte große Freude an dem prächtigen Goldhirsch. Der wurde jetzt ins Schloss getragen und zwar in das Schlafzimmer der Königstochter. Dort musste der Hirsch den ganzen Abend spielen bis spät in die Nacht hinein, und die Königstochter wurde gar nicht müde zuzuhören.
Als Alles im Schlosse zur Ruhe war und die Königstochter auch, da öffnete der Soldat das Thürchen, stieg aus dem Hirsch und trat vor das Lager der schönen Königstochter. Der Mond schien hell in das Zimmer herein und da lag sie so schön und holdseelig da; leise beugte er sich über sie und gab ihr einen Kuss. Sie schrak vom Schlafe auf und schaute empor; als sie den schönen fremden Mann an ihrem Lager sah, stieß sie einen lauten Angstschrei aus und hüllte den Kopf in die Decke. Rasch sprang der Soldat in den Hirsch und Schloss leise das Thürchen hinter sich zu. Kaum war er wieder in seinem Versteck, als die Kammerfrauen und endlich selbst der König hereinstürzten und frugen, was der Prinzessin fehle? Da erzählte sie zitternd und bebend Alles, man durchsuchte das Zimmer in allen Ecken, durchsuchte die Gänge und das ganze Schloss, aber Niemand war zu finden und das ist leicht begreiflich. Sprach der König zu der Prinzessin, sie habe gewiss geträumt und solle sich nur beruhigen; es könne Niemand in ihr Zimmer hinein. Das tat sie auch und schlief bald wieder fest wie vorher.
Als der Soldat dieß merkte, öffnete er wiederum das Thürchen, trat zu ihrem Lager und küsste sie von neuem auf ihre schöne weiße Stirn. Erschrocken fuhr sie auf und da stand der stolze schöne Mann wieder vor ihr und hatte die Hände flehend zu ihr gefalten; sie schrie noch lauter, wie das Erstemal und verbarg sich wieder unter der Decke. Ehe man eine Hand umdreht war der Soldat verschwunden. Das ganze Schloss lief zusammen, der König kam hinzu, man fragte, man suchte, aber da war keine Spur von einem fremden Manne zu finden. Nun wurde der König böse, denn er war nicht gern im Schlafe gestört; er verwies der Prinzessin mit harten Worten ihr grundloses Geschrei und drohte, ihr den Hirsch wegzunehmen, wenn sie noch einmal schreie. Da musste sie sich wohl zufriedengeben.
Sie beschloss nun, nicht
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