Das Grosse Spiel
versuchen wirklich, Erwachsene zu sein. Genau wie unsere Väter. Ich wette, dein Vater war wie du. Ich wette, er war ruhig und steckte alles weg, und dann explodierte er plötzlich und ...«
»Ich bin nicht wie mein Vater.«
»Dann irre ich mich vielleicht. Aber schau dir Bonzo an, deinen alten Kommandanten. Er leidet unter einem fortgeschrittenen Fall von spanischer Ehre. Er kann sich nicht gestatten, Schwächen zu haben. Besser als er zu sein, das ist eine Beleidigung. Stärker zu sein, das ist, als würde man ihm die Eier abschneiden. Darum haßt er dich: weil du nicht gelitten hast, als er versuchte, dich zu bestrafen. Er haßt dich dafür, er will dich ehrlich töten. Er ist verrückt. Sie sind alle verrückt.«
»Und du nicht?«
»Ich auch sein verrückt, kleiner Kumpel, aber wenn ich sein am verrücktesten, dann ich wenigstens treiben ganz allein im Raum, und die Verrückt, sie fließen hinaus aus mir, sie sickern in die Wände, und sie nicht wieder kommen heraus, bis dort die Schlachten sein und kleine Jungs gegen die Wände knallen und matschen raus die Verrückt.«
Ender lächelte.
»Und du auch werden verrückt sein«, sagte Dink. »Komm, laß uns essen gehen.«
»Vielleicht kann man Kommandant werden und nicht verrückt sein. Um die Verrücktheit wissen bedeutet vielleicht, daß man ihr nicht anheimfallen muß.«
»Ich werde mich nicht von diesen Bastarden lenken lassen. Sie haben auch dich fest im Griff, und sie haben nicht vor, dich nett zu behandeln. Sieh nur, was sie dir bisher angetan haben.«
»Sie haben nichts weiter getan, als mich zu befördern.«
»Und das machen dein Leben so leicht, neh?«
Ender lachte und schüttelte den Kopf. »Vielleicht hast du recht.«
»Sie denken, sie hätten dich auf Eis. Laß das nicht zu.«
»Aber darum bin ich hierher gekommen«, sagte Ender. »Damit sie ein Werkzeug aus mir machen. Um die Welt zu retten.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, daß du immer noch daran glaubst.«
»An was glauben?«
»An die Krabbler-Bedrohung. Die Welt zu retten. Hör zu, Ender, wenn die Krabbler zurückkämen, um uns fertigzumachen, wären sie schon da. Sie planen keine neue Invasion. Wir haben sie geschlagen, und sie sind fort.«
»Aber die Videos ...«
»Alle von der Ersten und Zweiten Invasion. Deine Großeltern waren noch nicht geboren, als Mazer Rackham sie ausradierte. Paß mal auf. Das Ganze ist ein großer Schwindel. Es gibt keinen Krieg, sie wollen uns nur verschaukeln.«
»Aber weswegen?«
»Weil die I. F. an der Macht bleiben kann, solange die Leute Angst vor den Krabblern haben, und solange die I. F. an der Macht ist, bestimmte Länder ihre Vormachtstellung behaupten können. Aber verfolge nur die Vids, Ender. Die Menschen werden diesem Spiel sehr bald auf die Schliche kommen, und es wird einen Bürgerkrieg geben, um alle Kriege zu beenden. Das ist die Bedrohung, Ender, nicht die Krabbler. Und in diesem Krieg, wenn er kommt, werden du und ich keine Freunde sein. Denn du bist Amerikaner, genau wie unsere lieben Lehrer. Und ich nicht.«
Sie gingen in den Speisesaal und aßen, wobei sie über andere Dinge sprachen. Aber Ender mußte weiter über das nachdenken, was Dink gesagt hatte. Die Kampfschule war so abgekapselt, das Spiel so wichtig in den Gedanken der Kinder, daß Ender vergessen hatte, daß es eine Welt außerhalb gab. Spanische Ehre. Bürgerkrieg. Politik. Die Kampfschule war eigentlich ein sehr kleiner Ort, oder?
Aber Ender gelangte nicht zu Dinks Schlußfolgerungen. Die Krabbler waren real. Die Bedrohung war real. Die I. F. kontrollierte eine Menge Dinge, aber sie kontrollierte nicht die Videos und die Netze. Nicht dort, wo Ender aufgewachsen war. In Dinks Heimat in den Niederlanden wurde nach drei Generationen unter russischer Vorherrschaft vielleicht alles kontrolliert, aber Ender wußte, daß in Amerika Lügen nicht lange Bestand haben konnten. Daran glaubte er.
Er glaubte, aber das Samenkorn des Zweifels war da, und es blieb und schickte hin und wieder eine kleine Wurzel aus. Diese wachsende Saat in ihm veränderte alles. Ender hörte sorgfältiger auf das, was die Menschen meinten, und nicht, was sie sagten. Es machte ihn weise.
Zum abendlichen Training fanden sich nicht so viele Jungen wie gewöhnlich ein, nicht einmal die Hälfte. »Wo ist Bernard?« fragte Ender.
Alai grinste. Shen schloß die Augen und nahm einen Gesichtsausdruck seliger Meditation an.
»Hast du's denn noch nicht gehört?« sagte ein anderer Junge, ein Starti aus
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