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Das Grosse Spiel

Das Grosse Spiel

Titel: Das Grosse Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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haben sie mich schon zweimal befördert, und ich habe abgelehnt.«
    Abgelehnt?
    »Sie nahmen mir meinen alten Spind und meine Koje und mein Pult ab, wiesen mir eine Kommandantenkabine zu und gaben mir einen Trupp. Aber ich blieb einfach solange in der Kabine, bis sie nachgaben und mich wieder zurück in den Trupp von irgend jemand anders steckten.«
    »Warum?«
    »Weil ich sie das nicht mit mir machen lassen werde. Ich kann nicht glauben, daß du diesen ganzen Quatsch noch nicht durchschaut hast, Ender. Aber vermutlich bist du noch zu jung. Diese anderen Trupps, die sind nicht der Feind. Es sind die Lehrer, die sind der Feind. Sie bringen uns dazu, gegeneinander zu kämpfen, einander zu hassen. Das Spiel ist alles. Gewinnen, gewinnen, gewinnen. Es kommt nichts dabei heraus. Wir bringen uns um, drehen durch beim Versuch, uns gegenseitig zu schlagen, und die ganze Zeit über beobachten uns die alten Bastarde, studieren uns, spüren unsere schwachen Punkte auf, entscheiden, ob wir gut genug sind oder nicht. Tja, gut genug für was? Ich war sechs Jahre alt, als man mich hierherbrachte. Was zum Teufel habe ich gewußt? Sie entschieden, ich sei richtig für das Programm, aber niemand hat mich je gefragt, ob das Programm auch richtig sei für mich.«
    »Warum gehst du dann nicht nach Hause?«
    Dink lächelte unehrlich. »Weil ich das Spiel nicht aufgeben kann.« Er zupfte am Stoff seines Blitzanzugs, der neben ihm auf der Koje lag. »Weil ich das hier liebe.«
    »Warum willst du dann nicht Kommandant sein?«
    Dink schüttelte den Kopf. »Niemals. Schau nur, was es aus Rose macht. Der Junge ist verrückt. Rose die Nase. Schläft hier drinnen mit uns statt in seiner Kabine. Warum? Weil er Angst hat, allein zu sein. Angst vor der Dunkelheit.«
    »Rose?«
    »Aber sie haben ihn zum Kommandanten gemacht, und darum muß er sich wie einer benehmen. Er weiß nicht, was er eigentlich tut. Er gewinnt, aber das macht ihm von allem am meisten Angst, weil er nicht weiß, warum er gewinnt, außer daß ich etwas damit zu tun habe. Jeden Augenblick könnte jemand herausfinden, daß Rose kein magischer israelischer General ist, der gewinnen kann, ganz gleich, was passiert. Er weiß nicht, warum irgendwer gewinnt oder verliert. Niemand tut das.«
    »Das bedeutet noch nicht, daß er verrückt ist, Dink.«
    »Ich weiß, du bist seit einem Jahr hier, du denkst, diese Leute seien normal. Nun, sie sind es nicht. Wir sind es nicht. Ich schaue in die Bibliothek, ich rufe Bücher auf meinem Pult ab. Alte, weil sie uns keine neuen geben wollen, aber ich habe eine ziemlich genaue Vorstellung davon, was Kinder sind, und wir sind keine Kinder. Kinder können manchmal verlieren, und keiner kümmert sich darum. Kinder sind keine Trupps, sie sind keine Kommandanten, sie herrschen nicht über vierzig andere Jungs, es ist mehr, als irgendwer ertragen könnte, ohne dabei ein bißchen verrückt zu werden!«
    Ender versuchte sich daran zu erinnern, wie andere Kinder waren, in seiner Klasse in der Schule, damals in der Stadt. Aber alles, wovon er denken konnte, war Stilson.
    »Ich hatte einen Bruder. Ein ganz normaler Bursche. Alles, wofür er sich interessierte, waren Mädchen. Und die Fliegerei. Er wollte fliegen. Er spielte immer mit den Jungs Ball. Ein improvisiertes Spiel, Bälle auf einen Reifen schießen, die Korridore entlangdribbeln, bis die Schutzpolizisten den Ball konfiszierten. Wir hatten viel Spaß zusammen. Er brachte mir gerade bei, wie man dribbelt, als ich abgeholt wurde.«
    Ender erinnerte sich an seinen eigenen Bruder, und die Erinnerung war nicht liebevoll.
    Dink mißverstand Enders Gesichtsausdruck. »He, ich weiß, niemand soll von zu Hause sprechen. Aber wir sind von irgendwo gekommen. Die Kampfschule hat uns nicht erschaffen, weißt du. Die Kampfschule erschafft nichts. Sie zerstört nur. Und wir alle erinnern uns an Dinge von zu Hause. Keine guten Dinge vielleicht, aber wir erinnern uns, und dann lügen wir uns eben vor, daß ... schau mal, Ender, wie kommt es, daß niemand von zu Hause spricht, niemals? Zeigt dir das nicht, wie wichtig es ist? Daß niemand es auch nur zugibt ... ach, verdammt.«
    »Nein, ist schon in Ordnung«, sagte Ender. »Ich dachte nur gerade an Valentine. Meine Schwester.«
    »Ich wollte dich nicht durcheinanderbringen.«
    »Ist schon okay. Ich denke nicht sehr viel an sie, weil ich dann immer so werde ... wie jetzt.«
    »Ja richtig, wir weinen nie. Herrgott, ich habe nie daran gedacht. Niemand weint je. Wir

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