Das große Zeitabenteuer
aufgestoßen. Ein großer Kerl mit Federhut, langen Locken, rot-blau gestreiftem Wams, breitem Gürtel und Pluderhosen über nachlässig gerollten Stiefelschäften stand auf der Schwelle. Er riß einen schlanken Degen aus der Scheide und näherte sich O'Learys Tisch. Hinter ihm erschienen drei weitere Gestalten, die ähnlich gekleidet und bewaffnet waren.
»Hallo, Freunde«, begrüßte Lafayette sie und hob sein Glas. »Ein Schluck gefällig?«
»Im Namen des Königs!« brüllte der erste Maskierte. »Sie sind verhaftet! Kommen Sie freiwillig mit, oder muß ich Sie aufspießen?« Die Spitzen seines gewaltigen Schnurrbarts zitterten dabei.
O'Leary betrachtete sprachlos die blanken Degenspitzen, die von drei Seiten auf ihn gerichtet waren. Der Rote Stier hockte mit offenem Mund auf seinem Platz.
»He, du da drüben!« sagte der Mann mit dem Bart. »Wer bist du?«
»Ich?« fragte der Rothaarige verwundert. »Ich hab' hier nur ganz friedlich auf mein Abendessen gewartet.«
Der andere kniff ein Auge zusammen und grinste dann. »Der Kerl sieht wie ein Zwillingsbruder des Roten Stiers aus«, meinte er.
»Los, verschwinde«, befahl ein zweiter dem Rotschopf, der daraufhin zur Tür schwankte. Lafayette sah draußen Gesichter; die Menge hatte sich offenbar noch nicht zerstreut.
»Aufstehen und mitkommen!« forderte einer der Männer Lafayette auf. O'Leary grinste und konzentrierte sich auf die Degen. Salami, dachte er. Verwandelt euch in Salami. Peng!
Eine Spitze traf ihn zwischen die Rippen; er zuckte zusammen. »Salami!« befahl er laut. »Verwandle dich in Salami, verdammt noch mal!«
Die Degenspitze – noch immer aus Stahl – traf ihn diesmal fester. »Keine Zaubersprüche, sonst kommst du als Leiche in die Zelle!«
»He!« rief O'Leary empört. »Vorsichtig! Das tut weh!«
»Hören Sie, Mac, muß ich Sie aufschlitzen, bevor Sie glauben, daß Sie verhaftet sind? Sie haben Musketiere der Stadtwache vor sich, kapiert? Wir nehmen Sie wegen Landfriedensbruchs mit!«
»Ah, Sie meinen die Weinflasche«, sagte Lafayette. »Ich kann Ihnen erklären…»
»Erklären Sie es dem Scharfrichter«, unterbrach ihn der Sergeant mit drei Streifen am Arm. »Los, mitkommen!«
Lafayette stand widerstrebend auf. »Das ist lächerlich …«, begann er.
Eine harte Hand griff nach seinem Arm und stieß ihn in Richtung Tür. Er schüttelte sie ab, nahm seinen Hut und setzte ihn auf. Nur nicht nervös werden. Das mit der Salami hatte nicht geklappt, weil er sich nicht richtig hatte konzentrieren können. Aber sobald es etwas ruhiger war …
Er stolperte in die Nachtluft hinaus. Erschrockene Gesichter starrten ihn an. Fäuste wurden geschwungen. Eine Rübe kam aus der Dunkelheit und prallte von seiner Schulter ab.
»Aus dem Weg, aus dem Weg!« brüllte der größte Musketier. »Im Namen des Königs, Platz da!« Er und zwei seiner Männer drängten die Menge zurück, so daß eine Gasse zu dem wartenden Dampf wagen entstand.
»Vorsichtig, Mac«, warnte der Musketier, der Lafayette zu bewachen hatte. »Wir Polizisten sind nicht übermäßig beliebt.« Er duckte sich und wich einer reifen Tomate aus. »Verstehe die Leute sogar, seitdem wir ihnen in letzter Zeit im Namen des Königs Daumenschrauben anlegen müssen. Was nicht vorgeschrieben ist, gilt als verboten.«
»Klingt wie ein totalitäres Regime«, stellte O'Leary fest. »Warum fangen Sie keine Revolution an?«
»Soll das ein Witz sein? König Gorubles Armee würde…« Er schwieg nachdenklich, sah O'Leary von der Seite an und rückte etwas näher. »Hören Sie, stimmt das wirklich?« flüsterte er unauffällig. »Ich meine, sind Sie wirklich ein Hexer?«
Lafayette runzelte die Stirn. »Ein intelligenter Kerl wie Sie glaubt an Zauberei?«
»Nein, aber… nun, wir haben Sie mit der Nummer neunhundertzwei erwischt – das ist die Anklage wegen Hexerei; allerdings benützen wir sie meistens nur, um Verdächtige vierundzwanzig Stunden lang einzusperren. Aber ich habe mir überlegt, daß zu einer Pfütze vielleicht auch ein Frosch gehört…»
»Haben Sie jemals ein echtes Zauberkunststück gesehen?« fragte O'Leary.
»Nein, aber die Cousine einer Tante meiner Frau behauptet, einen Kerl gekannt zu haben, der …«
»Ich bin kein Zauberer«, versicherte Lafayette ihm. »Ich bin… aber das verstehen Sie nicht.«
»Hören Sie, ich meine nur… äh… nun, meine Frau wird in letzter Zeit ein bißchen fett; ungewaschenes Haar, kein Make-up; Sie wissen selbst, wie das so geht.
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