Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
die Aguarunas und die Guardias sitzen jetzt im Kreis um die Bananenblätter, und die Alte verscheucht händeklatschend die Insekten. Madre Angélica verteilt die Geschenke, und die Aguarunas nehmen sie entgegen, ohne Begeisterung zu zeigen, aber dann, als die Madres und die Guardias anfangen, kleine Brocken Fisch zu essen, die sie mit der Hand abreißen, öffnen die beiden Männer, ohne sich anzublicken, die Tüten, streicheln die Taschenspiegel und die Halsketten, teilen die farbigen Glasperlen untereinander, und die Augen der Alten flackern plötzlich habsüchtig auf. Die Mädchen streiten um eine Flasche, der Knabe kaut wütend, und der Sargento würde sich den Magen verderben, verflucht, Durchfall würde er kriegen, aufgebläht würde er wie ein Ballon, Beulen würden sich am Körper bilden, die brächen auf und Eiter ränne heraus. Er hält das Stück Fisch vor die Lippen, seine Augenlider flattern, und der Dunkle, der Knirps und der Blonde verziehen auch die Gesichter, Madre Patrocinio schließt die Augen, würgt, ihr Gesicht verzerrt sich, und nur der Lotse Nieves und Madre Angélica strecken immer wieder die Hand nach den Bananenblättern aus und zerstückeln mit einer Art hastigem Genuß das weiße Fleisch, entfernen die Gräten, stecken die Bissen in den Mund. Die Leute aus dem Urwaldwaren alle ein wenig wie die Chunchas, selbst die Madres, wie die das herunterbrachten. Der Sargento rülpst, alle starren ihn an und er hüstelt. Die Aguarunas haben die Halsketten umgelegt, zeigen sie einander. Die Glaskugeln sind granatfarben und stechen ab von den Tätowierungen, die die Brust des einen zieren, der sechs Armbänder aus kleinen Perlen am einen Arm, drei am andern trägt. Wann würden sie aufbrechen, Madre Angélica? Die Guardias beobachten den Sargento, die Aguarunas hören zu kauen auf. Die Mädchen strecken die Hände aus, berühren scheu die glitzernden Halsketten, die Armbänder. Sie mußten auf die andern warten, Sargento. Der tätowierte Aguaruna grunzt, und Madre Angélica, ja, Sargento, da hatte er’s, er sollte essen, er beleidigte sie mit dem Widerwillen, den er zeigte. Er hatte keinen Appetit, aber er wollte ihr etwas sagen, Madrecita, sie könnten nicht länger in Chicais bleiben. Madre Angélica hat den Mund voll, der Sargento war gekommen, um zu helfen, ihre dürre und steinartige Hand umklammert eine Thermosflasche mit Limonade, nicht um Befehle zu erteilen. Der Knirps hatte den Teniente gehört, und was hatte er gesagt? und er, sie sollten innerhalb von acht Tagen zurück sein, Madre. Fünf waren schon vorbei, und wie lange dauerte es zurück, Don Adrián? drei Tage, vorausgesetzt, daß es nicht regnete, na bitte, so lauteten die Befehle, Madre, sie sollte ihm nicht böse sein. Neben dem Geräusch des Gesprächs zwischen dem Sargento und MadreAngélica ist noch eines zu vernehmen, ein rauhes Stimmengewirr, die Aguarunas unterhalten sich lärmend, halten ihre Arme aneinander, vergleichen die Armbänder. Madre Patrocinio schluckt und öffnet die Augen, und wenn die andern nicht zurückkamen? und wenn sie erst in einem Monat zurückkamen? freilich, das war nur eine Vermutung, sie schließt die Augen, vielleicht eine irrige, und schluckt. Madre Angélica runzelt die Stirn, neue Falten entstehen in ihrem Gesicht, ihre Hand liebkost das Büschelchen weißer Haare am Kinn. Der Sargento trinkt einen Schluck aus der Feldflasche: schlimmer als ein Abführmittel, in dieser Gegend wurde alles heiß, das war nicht die Hitze seiner Heimat, hier verfaulte alles. Der Fette und der Blonde haben sich zurücksinken lassen, die Képis über dem Gesicht, und der Knirps wollte wissen, ob das jemand bestimmt wußte, Don Adrián, und der Dunkle, ja wirklich, er sollte weiterreden, sollte erzählen, Don Adrián. Sie waren halb Fisch und halb Weib, hielten sich am Grund auf und warteten auf die Ertrunkenen, und sobald ein Kanu umschlug, kamen sie und packten die Christenmenschen und schleppten sie in ihre Paläste da unten. Dann legten sie sie in Hängematten, aber nicht in welche aus Jute, sondern aus Schlangen, und dort trieben sie’s mit ihnen, und Madre Patrocinio, was redeten sie da Abergläubisches? und sie, nein, nein, und sie wollten Christen sein? keineswegs, Madrecita, sie sprachen nur darüber, ob’s regnen würde. Madre Angélica beugtsich zu den Aguarunas hinüber und grunzt sanft, lächelt hartnäckig, hält die Finger ineinander verflochten, und die Männer richten sich ganz allmählich auf, ohne
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