Das Halsband der Königin - 1 (German Edition)
Regenten, der dem Herrn Prinzen das Auge ausstach, habe ich zu viele Ungeschickte gesehen; Sie werden mich im Kriege nicht veranlassen, diesen oder jenen Posten einzunehmen, den der erste Beste einnehmen würde, insofern ich im Augenblick alle geraden Linien und alle parabolischen Linien, die auf eine tödtliche Weise nach diesem Posten zulaufen, berechnet haben werde. Sie sagen mir, man sehe eine verlorene Kugel nicht vorher? Ich antworte Ihnen, ein Mann, der eine Million Flintenschüsse vermieden, sei nicht entschuldbar, wenn er sich durch eine verlorene Kugel tödten lasse. Ah! machen Sie keine Geberde der Ungläubigkeit, denn ich bin hier als ein lebendiger Beweis. Ich sage Ihnen nicht, ich sei unsterblich; ich sage Ihnen nur, ich wisse das, was Niemand weiß, nämlich den Tod zu vermeiden, wenn er durch einen Zufall kommt. So würde ich, zum Beispiel, um keinen Preis der Welt hier allein mit Herrn von Launay bleiben, denn er denkt, wenn er mich in einer seiner Zellen in der Bastille hätte, so würde er meine Unsterblichkeit mit Hilfe des Hungers versuchen. Ich würde eben so wenig mit Herrn von Condorcet zusammenbleiben, denn er hat in diesem Augenblick den Gedanken, den Inhalt des Ringes, den er am Zeigefinger der linken Hand trägt, in mein Glas zu werfen, und dieser Inhalt ist Gift. Alles ohne irgend eine boshafte Absicht, sondern nur aus wissenschaftlicher Neugierde, um ganz einfach zu erfahren, ob ich daran sterben würde.«
Die zwei Personen, welche Cagliostro genannt hatte, machten eine Bewegung.
»Sie können es frei gestehen, Herr von Launay; wir sind kein Gerichtshof, und überdieß bestraft man die Absicht nicht. Lassen Sie hören, haben Sie gedacht, was ich gesagt habe? Und Sie, Herr Condorcet, tragen Sie wirklich in Ihrem Ringein Gift, das Sie mir gern im Namen Ihrer vielgeliebten Gebieterin, der Wissenschaft, einflößen möchten?«
»Meiner Treue,« antwortete Herr von Launay, lachend und zugleich erröthend, »ich gestehe, daß Sie Recht hatten, Herr Graf, es war eine Tollheit. Doch diese Tollheit ging mir gerade in dem Augenblick, wo Sie mich anschuldigten, durch den Kopf.«
»Und ich,« sagte Condorcet, »ich will nicht minder offenherzig sein. Ich dachte wirklich, wenn Sie von dem kosteten, was in meinem Ring enthalten ist, gäbe ich nicht einen Obol mehr für Ihre Unsterblichkeit.«
Ein Schrei der Bewunderung war um den ganzen Tisch hörbar.
Dieses Geständnis; bestätigte nicht die Unsterblichkeit, wohl aber den Scharfsinn des Grafen von Cagliostro.
»Sie sehen wohl,« sagte Cagliostro ruhig, »Sie sehen, daß ich errathen habe. Nun denn! ebenso ist es mit Allem, was geschehen soll. Die Gewohnheit zu leben hat mir mit dem ersten Blick die Vergangenheit und die Zukunft der Leute, die ich sehe, enthüllt.
»Meine Unfehlbarkeit in dieser Hinsicht ist so groß, daß sie sich auf die Thiere, auf die träge Materie erstreckt. Steige ich in meinen Wagen, so sehe ich an der Miene der Pferde, daß sie durchgehen werden, an der Miene des Kutschers, daß er mich umwerfen oder mit mir hängen bleiben wird; schiffe ich mich auf einem Fahrzeuge ein. so errathe ich, der Capitän werde ein unwissender Tropf oder ein Starrkopf sein, und folglich nicht das erforderliche Manöver machen können oder wollen. Ich vermeide dann den Kutscher wie den Capitän; ich lasse die Pferde wie das Schiff. Ich leugne den Zufall nicht, ich verringere ihn. Statt ihm hundert Chancen zu lassen; wie es alle Welt thut, benehme ich ihm neunundneunzig. Hiebei kommt es mir sehr zu Statten, daß ich dreitausend Jahre gelebt habe.«
»Ah,« sagte Laperouse lachend unter dem durch die Worte Cagliostro's veranlaßten Enthusiasmus oder Aerger, »dann müßten Sie mich bis zu den Schiffen begleiten, auf denen ichdie Reise um die Welt machen soll. Sie würden mir dadurch einen ausgezeichneten Dienst leisten.«
Cagliostro antwortete nicht.
»Herr Marschall,« fuhr lachend der Seemann fort, »da der Herr Graf von Cagliostro, und ich begreife das, eine so gute Gesellschaft nicht verlassen will, so müssen Sie
mir
erlauben, dieß zu thun. Verzeihen Sie, Herr Graf von Haga, verzeihen Sie, Madame, aber es hat sieben Uhr geschlagen, und ich habe dem König versprochen, um ein Viertel auf acht Uhr in den Wagen zu steigen. Da nun der Herr Graf von Cagliostro nicht Lust hat, meine zwei Stuten zu sehen, so sage er mir wenigstens, was mir zwischen Versailles und Brest begegnen wird. Von Brest bis zum Pol erlasse ich es ihm, das ist meine
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