Das Halsband der Königin - 1 (German Edition)
ganzes Gesicht verbreiteter Anstrich von Hochmuth natürlich ihrer Physignomie einen Theil des Zaubers, den sie haben konnte, nehmen mußte. So urtheilte wenigstens Jeanne nach dem Wenigen, was sie von den Zügen des Besuches erblickte.
Einen der Lehnstühle dem Sopha vorziehend, hatte sie den Lichtstrahl, der aus der Lampe hervorsprang, dadurch von sich fern gehalten, daß sie in eine Ecke des Zimmers zurückwich, und über ihre Stirne die Tafftkaputze ihres Mantels vorzog, wodurch ein Schatten auf ihr Gesicht geworfen wurde.
Doch die Haltung des Kopfes war so stolz, das Auge so lebhaft und so natürlich erweitert, daß man, wäre jede Einzelheit verschwunden, nach ihrem Gesammtmaß hätte erkennen müssen, die Dame sei von schönem und besonders von edlem Stamme.
Ihre Gefährtin, minder schüchtern, scheinbar wenigstens, obgleich vier bis fünf Jahre jünger, verbarg ihre wirkliche Schönheit nicht.
Ein in Beziehung auf Haut und Farbe bewunderungswürdiges Gesicht, ein Kopfputz, der die Schläfe entblößt ließ und das vollkommene Eirund der Maske hervorhob; zwei große blaue Augen, ruhig bis zur Heiterkeit, hellsehend bis zur Tiefe, ein Mund von lieblicher Zeichnung, dem die Natur die Offenherzigkeit, dann die Erziehung und die Etikette die Discretiongegeben hatten; eine Nase, welche, was die Form betrifft, die der Venus von Medicis um nichts zu beneiden gehabt hätte; das ist es, was der rasche Blick von Jeanne auffaßte. Sodann konnte die Gräfin, noch zu andern Einzelnheiten überschweifend, bei der jüngeren von den zwei Frauen endlich eine Hand wahrnehmen: eine Taille zarter und biegsamer als die ihrer Gefährtin, eine Brust breiter und von reicherer Rundung als die der älteren, die ebenso fleischig als die der andern Dame nervig und fein war.
Jeanne von Valois machte alle diese Bemerkungen in einigen Secunden, das heißt, in weniger Zeit, als wir gebraucht haben, um sie hier zu bezeichnen.
Als sodann diese Wahrnehmungen gemacht waren, fragte sie sanft, welchem glücklichen Umstand sie den Besuch der Damen zu verdanken habe.
Die zwei Frauen schauten sich an und auf ein Zeichen der älteren sagte die jüngere:
»Madame, denn Sie sind, glaube ich, verheirathet?«
»Ich habe die Ehre, Madame, die Frau des Herrn Grafen von La Mothe, eines vortrefflichen Edelmanns, zu sein.«
»Nun, wohl, wir, Frau Gräfin, sind die Superiorinnen einer Stiftung zu guten Werken. Man hat uns hinsichtlich Ihrer Lage Dinge gesagt, die unsere Theilnahme erregen, und wir wollen dem zu Folge genauere Erkundigungen über Sie und Ihre Verhältnisse einziehen.«
Jeanne wartete einen Augenblick und sprach dann, als sie die Zurückhaltung der älteren Frau bemerkte:
»Meine Damen, Sie sehen hier das Portrait Heinrichs III., das heißt, des Bruders meines Ahnherrn; denn ich bin wirklich aus dem Blut der Valois, wie man Ihnen vielleicht gesagt hat.«
Und sie wartete auf eine neue Frage, indem sie ihre Gäste mit einer Art von stolzer Demuth anschaute.
»Madame,« sprach nun die ernste und zugleich sanfte Stimme der älteren von den zwei Frauen: Madame, ist eswahr, daß Ihre Frau Mutter Verwalterin eines Hauses, genannt Fontette bei Bar-sur-Seine, gewesen ist?«
Jeanne erröthete bei dieser Erinnerung, erwiderte aber sogleich, ohne sich stören zu lassen:
»Das ist Wahrheit, Madame, meine Mutter war Verwalterin eines Hauses, genannt Fontette.«
»Ah!« machte die Andere.
»Und da Marie Jossel, meine Mutter, von seltener Schönheit war,« fuhr Jeanne fort, »so verliebte sich mein Vater in sie und heirathete sie. Durch meinen Vater bin ich von edlem Geschlecht, Madame, mein Vater war ein Saint-Remy von Valois, ein directer Abkömmling der Valois, welche regiert haben.«
»Wie sind Sie aber zu diesem Grad von Armuth herabgesunken, Madame?« fragte die ältere der zwei Frauen.
»Ach! das ist leicht zu begreifen.«
»Ich höre.«
»Es ist Ihnen nicht unbekannt, daß nach der Thronbesteigung Heinrichs IV., durch den die Krone Frankreichs vom Hause Valois auf das Haus Bourbon überging, erstere Familie noch einige Sprößlinge hatte, welche allerdings im Dunkel blieben, doch unbestreitbar von dem gemeinschaftlichen Geschlecht der vier Brüder abstammten, die sämmtlich ein so unseliges Ende nahmen.«
Die Damen machten ein Zeichen, das wie eine Beipflichtung gelten konnte.
Jeanne fuhr fort:
»Befürchtend, sie könnten, trotz ihrer Dunkelheit, die neue königliche Familie in Schatten stellen, vertauschten die Sprößlinge
Weitere Kostenlose Bücher