Das Halsband der Königin - 1 (German Edition)
Sire! Bemerken Sie wohl, daß Herr von Artois hiebei die schöne Rolle gespielt hat. Bemerken Sie, daß er mir einen ausgezeichneten Dienst geleistet. Bemerken Sie wohl, daß ich dießmal dem Himmel zu danken gehabt habe, daß mein Schwager ein ausschweifender Mensch ist, da seine Ausschweifung meiner Schmach zum Deckmantel gedient hat, da seine Laster meine Ehre geschützt haben.«
Der König erröthete und bewegte sich geräuschvoll auf seinem Stuhle hin und her.
»Oh!« fuhr die Königin mit einem bitteren Lächeln fort, »ich weiß wohl, daß Sie ein moralischer König sind, Sire. Aber haben Sie bedacht, auf welches Resultat Ihre Moral hinausläuft? Niemand hat erfahren, daß ich nicht zurückgekehrt, sagen Sie? Und Sie selbst haben mich hier geglaubt! Werden Sie sagen, Herr von Provence, Ihr Aufhetzer, habe es geglaubt? Werden Sie sagen, meine Frauen, die Sie diesen Morgen auf meinen Befehl belogen, haben es geglaubt? Werden Sie sagen, Laurent, vom Grafen von Artois und mir erkauft, habe es geglaubt? Ah! der König hat immer Recht, doch die Königin kann auch Recht haben. Nehmen wir diese Gewohnheit an, wollen Sie? Sie, daß Sie mir Spione undSchweizer Wachen zuschicken, und ich; daß ich Ihre Schweizer und Ihre Spione besteche, und ich sage Ihnen, ehe ein Monat vergeht, denn Sie kennen mich und wissen, daß ich nicht an mich halten werde, nun wohl! die Majestät des Thrones und die Würde der Ehe, wir addiren das Alles eines Morgens, wie zum Beispiel heute, zusammen, und werden sehen, was uns Beide dieß kostet.«
Diese Worte hatten offenbar eine große Wirkung auf denjenigen hervorgebracht, an den sie gerichtet waren.
»Sie wissen,« sprach der König mit bebender Stimme, »Sie wissen, daß ich aufrichtig bin, und daß ich mein Unrecht stets gestehe. Wollen Sie mir beweisen, daß Sie Recht haben, wenn Sie von Versailles im Schlitten mit Ihren Cavalieren wegfahren? Eine tolle Truppe, die Sie unter den meisten Umständen, unter denen wir leben, compromittirt? Wollen Sie mir beweisen, daß Sie Recht haben, wenn Sie mit ihnen in Paris verschwinden, wie Masken auf einem Ball, und erst in der Nacht, scandalös spät, wieder erscheinen, während sich meine Lampe bei der Arbeit verzehrt und alle Welt schläft? Sie sprechen von der Würde der Ehe, von der Majestät des Thrones und Ihren Eigenschaften als Mutter? Ist das, was Sie gethan haben, einer Gattin, einer Königin, einer Mutter angemessen?«
»Ich erwidere Ihnen hierauf zwei Worte, und ich sage zum Voraus, ich werde Ihnen noch verächtlicher antworten, als ich bis jetzt gethan habe, denn mir scheint in der That, daß gewisse Theile Ihrer Anklage nur meine Verachtung verdienen.
»Ich habe Versailles im Schlitten verlassen, um schneller nach Paris zu kommen; ich bin mit Fräulein von Taverney weggefahren, deren Ruf, Gott sei Dank! einer der reinsten des Hofes ist, und habe mich nach Paris begeben, um mich mit eigenen Augen zu überzeugen, daß der König von Frankreich, dieser Vater der großen Familie, dieser philosophische König, diese moralische Stütze aller Gewissen, er, der die fremden Armen ernährt, die Bettler erwärmt und die Liebe des Volkes durch seine Wohlthätigkeit verdient hat, ich wollte mich überzeugen,sage ich, daß der König eine Person aus seiner eigenen Familie, eine Abkömmlingin eines der Könige, welche Frankreich regiert, Hungers sterben, in der Vergessenheit verfaulen, allen Angriffen des Lasters und der Dürftigkeit ausgesetzt ließ.«
»Ich!« versetzte der König erstaunt.
»Ich stieg in eine Art von Speicher hinauf,« fuhr die Königin fort, »und sah die Enkelin eines großen Fürsten ohne Feuer, ohne Licht, ohne Geld; ich gab diesem Opfer der Vergessenheit, der königlichen Gleichgültigkeit hundert Louisd'or. Und da ich mich, über die Nichtigkeit unserer Größen nachdenkend, verspätete, denn auch ich bin zuweilen Philosophin, da es hart gefroren war und die Pferde auf dem Eise schlecht gehen, besonders die Fiaker-Pferde ...«
»Die Fiaker-Pferde!« rief der König. »Sie sind im Fiaker zurückgekommen?«
»Ja, Sire, in Nro. 167.«
»Ho! hol« murmelte der König, indem er sein rechtes, über das linke gekreuztes Bein schaukelte, was bei ihm das Symptom einer lebhaften Ungeduld war; »im Fiaker!«
»Ja, und ich durfte noch von Glück sagen, daß ich diesen Fiaker fand,« erwiderte die Königin.
»Madame,« unterbrach sie der König, »Sie haben wohl gethan; Sie haben stets edle Eingebungen, die sich vielleicht
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