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Das Halsband der Koenigin 1

Das Halsband der Koenigin 1

Titel: Das Halsband der Koenigin 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas (der Aeltere)
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ihnen Marie Antoinette beigebracht hatte, sogleich Thüren und Fenster, um die frische Luft einzulassen, welche die Königin beim Erwachen voll Wonne einschlürfte.
    »Sie schlafen mit gutem Appetit,« sagte der König, nachdem er seinen forschenden Blick überall hatte umherlaufen lassen.
    »Ja, Sire, ich habe lange gelesen, und würde folglich, wenn mich Eure Majestät nicht geweckt hätte, noch schlafen.«
    »Woher kommt es, daß Sie gestern nicht empfangen haben, Madame?«
    »Wen empfangen? Ihren Bruder, Herrn von Provence?« versetzte die Königin mit einer Geistesgegenwart, die dem Argwohn des Königs entgegentrat.
    »Ganz richtig, meinen Bruder; er wollte Sie begrüßen, und man hat ihn nicht eingelassen.«
    »Nun?«
    »Man sagte ihm, Sie seien abwesend.«
    »Hat man ihm das gesagt?« fragte nachlässig die Königin, »Frau von Misery! Frau von Misery!«
    Frau von Misery erschien an der Thüre; sie hielt auf einer goldenen Platte eine Anzahl von Briefen an die Königin.
    »Ihre Majestät ruft mich?« fragte Frau von Misery.
    »Ja. Hat man gestern Herrn von Provence gesagt, ich sei vom Schlosse abwesend?«
    Um nicht vor dem König vorüberzugehen, drehte sich Frau von Misery um diesen und reichte der Königin die Platte mit den Briefen. Sie hielt unter ihrem Finger einen dieser Briefe, dessen Handschrift die Königin erkannte.
    »Antworten Sie dem König, Frau von Misery,« fuhr Marie Antoinette mit derselben Nachlässigkeit fort, »sagen Sie Seiner Majestät, was man gestern Herrn von Provence erwidert hat, als er vor meiner Thüre erschien; ich meinerseits erinnere mich dessen nicht mehr.«
    »Sire,« sagte Frau von Misery, während die Königin den Brief entsiegelte, »Monseigneur der Graf von Provence kam gestern, um Ihrer Majestät seinen Respect zu bezeigen, und ich antwortete ihm, Ihre Majestät empfange nicht.«
    »Auf wessen Befehl?«
    »Auf Befehl der Königin.«
    »Ah!« machte der König.
    Während dieser Zeit hatte die Königin den Brief entsiegelt und folgende Zeilen gelesen:
    »Sie sind gestern von Paris zurückgekommen und um acht Uhr Abends in das Schloß eingetreten, Laurent hat Sie gesehen.«
    Mit derselben gleichgültigen Miene entsiegelte die Königin sodann ein halbes Dutzend Billet-Briefe und Bittschriften, welche unter ihren Eiderdunen lagen.
    »Nun?« fragte sie zum König aufschauend.
    »Ich danke, Madame,« sagte dieser zu der ersten Kammerfrau.
    Frau von Misery entfernte sich.
    »Verzeihen Sie, Sire,« sprach die Königin, »geben Sie mir über einen Punkt Aufklärung.«
    »Ueber welchen?«
    »Steht es mir frei oder nicht frei, Herrn von Provence zu sehen?«
    »Oh! vollkommen frei, Madame, aber...«
    »Was wollen Sie? sein Geist ermüdet mich; überdieß liebt er mich nicht; es ist wahr, ich gebe es ihm zurück. Ich erwartete seinen verdrießlichen Besuch und legte mich um acht Uhr in's Bett, um diesen Besuch nicht zu empfangen. Was haben Sie denn, Sire?«
    »Nichts, nichts.« – »Man sollte glauben, Sie zweifeln.« – »Aber...« – »Was, aber?« – »Aber ich glaubte Sie gestern in Paris.« – »Um wie viel Uhr?« – »In den Stunden, wo Sie zu Bette gegangen zu sein behaupten.« – »Allerdings, ich bin nach Paris gefahren. Kommt man etwa nicht von Paris zurück?« – »Doch. Es hängt Alles von der Stunde ab, zu der man zurückkommt.« – »Ah, ah! Sie wollen genau die Stunde wissen, zu der ich von Paris zurückgekommen bin?« – »Ja.« – »Das ist ganz leicht, Sire!«
    Die Königin rief:
    »Frau von Misery!«
    Die Kammerfrau erschien wieder.
    »Wie viel Uhr war es, als ich gestern von Paris zurückkam, Frau von Misery?« fragte die Königin.
    »Ungefähr acht Uhr, Eure Majestät.«
    »Ich glaube nicht,« versetzte der König, »Sie müssen sich täuschen, Frau von Misery, erkundigen Sie sich.«
    Die Kammerfrau drehte sich steif und unempfindlich nach der Thüre um und sagte:
    »Madame Duval!«
    »Madame!« erwiderte eine Stimme.
    »Um wie viel Uhr ist Ihre Majestät gestern Abend von Paris zurückgekehrt?«
    »Es mochte acht Uhr sein,« antwortete die zweite Kammerfrau.
    »Sie müssen sich täuschen, Madame Duval,« sagte Frau von Misery.
    Madame Duval neigte sich aus dem Fenster des Vorzimmers und rief:
    »Laurent?«
    »Wer ist das, Laurent?« fragte der König.
    »Der Concierge des Thores, durch das Ihre Majestät gestern zurückgekommen ist,« antwortete Frau von Misery.
    »Laurent,« rief Madame Duval, »um welche Stunde ist Ihre Majestät gestern Abend nach

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