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Das Haus auf der Brücke

Das Haus auf der Brücke

Titel: Das Haus auf der Brücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Othmar Franz Lang
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zu jeder Blume ein Semmelkrümelchen gelegt wird. Aber wenn man es Bero verbietet, besonders, wenn er nicht geschlafen hat, dann brüllt er, daß die Blätter von den Bäumen fallen. Also machte ich ganz kleine Krümelchen, und er verteilte sie ziemlich gerecht. Zu jedem Stiel ein Krümelchen.
    Als ich keine Bröselchen mehr hatte, machte er zunächst ein Gesicht, als ob er weinen wollte, denn sehr viele Blumen waren ungefüttert geblieben. Da half nur eines, ihn abzulenken. Ich lief mit ihm zum Seerosenbecken, wo ihm die Goldfische besondere Freude machten. Als ich mich einmal durch einen Mann ablenken ließ, der einen Oleanderbaum in einem grünen Holzeimer zu einem Lastwagen tragen wollte, war Bero bereits mit dem Kopf unter Wasser. Er hatte einen Goldfisch fangen wollen. Er brüllte nicht einmal, als ich ihn herauszog und mit meinem Taschentuch seine Haare trocknete. Ich fand, das sei ein guter Grund, daß wir jetzt nach Hause gehen müßten. Aber Bero wollte noch ins Glashaus.
    Im Glashaus war er zunächst friedlich, denn ich achtete darauf, daß er nicht an die Bewässerungsanlage herankam, wo er früher schon einmal hantiert hatte. Ich erklärte ihm die Blumen, die ich kannte, und dann kamen wir zu den Kakteen. Kakteen sind mein Hobby, und dafür, daß ich mit Bero spazierenging, durfte ich mir auch heute wieder einen Kaktus kaufen. Ich ging also um den riesigen Tisch, um zu sehen, was ich noch brauchen könne. Und als ich eine kleine Opuntia gefunden hatte, die ich mir auch leisten konnte, war Bero verschwunden.
    Ich lief hinaus in den Garten, fragte die Verkäuferinnen, ob er durch die Tür sei, aber keine hatte ihn gesehen. Ein Wagen fuhr fort. Ob er da entführt wurde? Ich merkte mir die Kennzeichennummer und wollte den Polizeinotruf betätigen. Da rief mich eine Verkäuferin. Bero lag unter dem Kakteentisch auf dem Boden neben einer großen, flachen Plastikwanne, in der sich einige Dutzend Schildkröten faul bewegten. Er studierte eifrig ihr Verhalten. Ich glaube, er hatte noch nie vorher Schildkröten gesehen. Sie schienen ihn zumindest zu beeindrucken.

    Nach einer Zeit fehlte ihm jedoch etwas an den dummen Viechern. Sie rannten nicht, sie zwitscherten nicht, sie konnten auch nicht bellen oder miauen, so kam er auf die Idee, daß sie eigentlich fliegen müßten. Zunächst hielt ich seinen Wunsch, daß die Schildkröten fliegen sollten, für einen lustigen Einfall.
    Doch dann wurde Ernst draus. Bero befahl den Schildkröten zu fliegen. Und als diese nicht die geringste Lust verspürten, sich in die Lüfte zu erheben und durchs Glashaus zu schwirren, wurde er ärgerlich.
    »Ihr sollt fliegen!« rief er.
    Ich schaltete mich ein: »Die können nicht fliegen«, erklärte ich. »Schau, die haben nirgends Flügel, und ohne Flügel kann man nicht fliegen.«
    »Sie sollen fliegen!« rief er laut.
    »Aber Bero, das geht nicht.«
    Er verlegte sich aufs Betteln. »Bitte, sie sollen fliegen!« Eine Verkäuferin, die auch ganz genau wußte, daß Schildkröten nicht fliegen können, kam mir zu Hilfe. »Das geht nicht, Bubi«, sagte sie. »Schau Bubi, Schildkröti sind ganz dummi Viechi, die können nicht fliegi.«
    Bero musterte sie bös, weil sie so kindisch mit ihm sprach, und rief: »Sollen aber fliegen!«
    Ich zeigte ihm meine Opuntia, aber die beeindruckte ihn gar nicht. Er war plötzlich so stur wie beim Telefonbuch, wenn er Bilder drin haben wollte, oder wenn er sich einbildete, in einem Versandhauskatalog müsse auch ein großer Tankwagen abgebildet sein.
    Eine zweite Verkäuferin kam, wunderte sich, daß Bero so ausgefallene Wünsche habe, und meinte, daß auch sie noch nie eine Schildkröte fliegen gesehen habe. Bero blieb hartnäckig, und allmählich kamen auch einige Kunden und der Obergärtner, aber Bero wollte immer noch, daß die Schildkröten fliegen. Er lag auf dem Boden und heulte.
    Schließlich mußte ich ihn mit Gewalt aus dem Glashaus, durch die Verkaufshalle und die Zaubertüren hinaus ins Freie schaffen. Der neue Kaktus mit seinen ziemlich langen Stacheln muß ihn dabei gestochen haben, denn manchmal heulte er etwas lauter auf. Schon nach den ersten hundert Metern ärgerte ich mich, daß ich den Kaktus überhaupt gekauft hatte, denn es ist schwer, einen Kaktus und einen heulenden trotzigen Jungen nach Hause zu befördern.
    Daheim mußte ich erst gar nicht klingeln. Mutti hatte uns schon von weitem kommen gehört.
    »Was hast du mit ihm gemacht?« fragte sie gereizt. Das war der Dank! Selbst als

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