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Das Haus auf der Brücke

Das Haus auf der Brücke

Titel: Das Haus auf der Brücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Othmar Franz Lang
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ich beteuerte, daß ich ihm nichts getan hätte, glaubte sie es nicht. »Warum weint er dann so?« fragte sie.
    »Weil Schildkröten nicht fliegen«, sagte ich.
    Mutter hielt das zunächst für eine Frechheit und zeigte, daß Mutterhände zuweilen fliegen können. Ich duckte mich, und die Hand verfehlte ihr Ziel. »Frag doch nach«, sagte ich, »ruf im Garten-Center an. Er heult wirklich deshalb.«
    »Wieso kommt er nur drauf, daß Schildkröten fliegen sollen?« fragte Mutter und suchte diesen seltsamen Einfall zu ergründen.
    Da kam Vater mit strahlenden Augen nach Hause. »Ich habe eine Neuigkeit«, rief er. »Eine Neuigkeit!«
    »Wir auch«, sagte Mutter. »Bero will, daß Schildkröten fliegen.«
    »Da ist meine schöner«, rief Vater. »Das Haus ist eingetroffen, unser Haus, man kann die drei Waggons von der Brücke aus sehen.«
    Wir stürzten alle zum Auto hinunter, als wären wir die Feuerwehr.

    Zehn Minuten später standen wir auf der Brücke und sahen bei den Güterschuppen, schon mehr zur Verladerampe, drei Waggons stehen, mit Holz beladen und Planen abgedeckt. Es war unser Haus. Und so von weitem sah es doch ziemlich enttäuschend aus.
    Die nächsten Tage hatten höchstens zwölf Stunden, so kurz waren sie. Die längsten Stunden fanden in der Schule statt, aber kaum daß ich sie verließ, begann die Zeit zu rasen. Wir sausten mit den Fahrrädern nach Hause, schlangen unser Essen hinunter, und schon starteten wir zur Baustelle. Das Haus wuchs schnell. Schon war das Untergeschoß fertig und die Decken eingepaßt, nur die Fenster waren noch nicht eingehängt. Der Kran hob Wandstück für Wandstück hoch, und so entstanden die Wände zwischen den Schlafzimmern, der obere Flur, die Außenwände.
    Gegen sechs kam Vater an, stemmte die Hände in die Hüften und fand alles großartig.
    Am wenigsten beeindruckt zeigte sich Bero. Er wollte plötzlich keine Steine mehr in den Bach werfen, sondern spielte mit allerlei Holzklötzen, die auf der Baustelle herumlagen. In der Nacht nach dem Besuch im Garten-Center hatte es ein Gewitter gegeben, jetzt war er wieder vernünftig. Er ließ sich sogar, als einige Freundinnen von Spinne kamen, von diesen dummen Mädchen herumschleppen und abknutschen. Und er sagte alles, was Spinne wollte.
    Ich ärgerte mich, denn schließlich war Bero kein dressierter Hund, der Kunststücke zeigen mußte.
    Aber die Freundinnen fanden ihn alle süß und niedlich. Es war zum Verrücktwerden, wie sich die Mädchen aufführten.
    Doch dann wollte Spinne plötzlich, daß Bero einen Purzelbaum vorführen sollte.
    Und da hatte Bero genug. Er schüttelte den Kopf, kam zu mir, wollte von mir hochgehoben werden und sagte: »Nüch Purzelbaum machen.«
    »Hast schon recht«, sagte ich. »Die sollen selber einen machen.«
    Eine kam und bat: »Komm, gib mir das Baby.«
    »Das ist kein Baby«, sagte ich eiskalt. »Das ist ein Mensch. Und ein Mensch ist kein Spielzeug.« Wiederum sagte Bero: »Nüch Purzelbaum machen.« Spinne ärgerte sich. Und erzählte etwas von einer schlechten Englischarbeit, die jemand gemacht haben sollte. Damit meinte sie natürlich mich. Aber ich tat ihr nicht den Gefallen zu antworten und mich zu verteidigen. Es genügte mir, daß Bero vor ihren Freundinnen mehr auf mich hörte. Etwas später kam Vater schon mit einigen Kisten Geschirr angefahren. Ich trug sie mit ihm ins Haus, und wir begannen die Tassen und Teller aus dem Papier zu wickeln und in den eingebauten Küchenschrank zu stellen. Dann riefen uns Arbeiter, weil sie von Vater etwas wissen wollten. Und als wir in die Küche zurückkamen, war der Schrank leer.
    Bero hatte alles wieder eingepackt, er machte immer das Gegenteil von dem, was mir machten.
    Vater meinte, daß er es vielleicht deshalb getan hatte, weil er die Sachen daheim nicht auspacken durfte und denke, wir dürften es auch hier nicht. Also mußten wir Bero erklären, daß das Geschirr nun hierher gehöre, weil das unsere neue Wohnung sei.
    Es dauerte lange, bis er das begriff. Und als es soweit war, verlangte er, daß wir ihn zur Brücke führten, Steine werfen.
    »Aber wir sind doch auf der Brücke«, sagte Vater und führte ihn ans Fenster.
    »Sind in einem Haus«, sagte Bero und wollte weiter zur Brücke gehen.
    Wir erklärten ihm, daß wir genau auf der Brücke seien, auf der wir immer mit ihm waren und von der er schon so viele Steine in den Bach geworfen habe, aber er schüttelte den Kopf, und schließlich war er dem Weinen nahe und raunzte: »Zur

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