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Das Haus der Bronskis

Das Haus der Bronskis

Titel: Das Haus der Bronskis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Marsden
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und Zofia sah mich traurig an und lächelte: es erinnerte sie an zu Hause.
    Ich ließ sie an Bord zurück und sah zu, wie der graue Schiffskörper themseabwärts davonglitt. Ich stellte sie mir beim Bücherauspacken in ihrer Kabine vor und dachte zum erstenmal darüber nach, was das Exil wirklich für sie bedeutete   – jene fortwährende Wurzellosigkeit, das unablässige Gefühl, nicht dazuzugehören, das Abwehren bitterer Gedanken. In den nächsten Monaten fiel eine Reihe dicker Briefumschläge durch meine Tür   – abgestempelt in Genua, Alexandria, Dubai und angefüllt mit Zofias »Seegedichten«. Sie waren eine Bestätigung meiner Gedanken und trugen dazu bei, mir klarzumachen, daß das Exil ebenso wie lange Seereisen   – diese ganze allmähliche Verflüchtigung eines festen Orts   – insgeheim die Möglichkeit für Entdeckungen in sich bargen.
    Im Jahr darauf schrieb ich Zofia, ich ginge von London weg. Ich wolle nach Cornwall ziehen.
    Postwendend kam ein Brief. »Ich fürchte«, schrieb sie, »die Furien haben dich doch noch zu fassen bekommen.« Aber sie freute sich.
    An einem trüben Januartag kam ich bei Einbruch der Dämmerung ins Dorf zurück. Es war stürmisch. Wellenberge türmten sich in jähen Eruptionen über der Kaimauer, schwappten die Straße hinunter und durchnäßten die bretterverrammelten Häuser. Ich schloß das kleine Haus auf, lud mein Zeug ab und stieg den Hügel hinauf, um Zofia zu besuchen.
    Braganza war unverändert   – die Fotografien, die Bärenfelle, die Samoware. Die Araukarie stand unbewegt im Sturm. Aber eine gewisse Ruhe hatte sich über das Haus gelegt. Aus den Räumen hallte Abwesenheit. Wo waren die käsegesichtigen Männer mitsamt ihren altväterischen Anzügen, die finnische Köchin, die sommerlichen Horden französischer Kinder? Wo der alte polnische Kavallerieoffizier,der Maler aus Krakau und der geheimnisvolle Dichter aus Posen?
    Zofia war allein. Sie saß in einem Lehnsessel und las. Bei meinem Eintreten legte sie ihr Buch hin und nahm rasch die Brille ab. »Phiilip, wie schön, dich zu sehen.«
    Sie war inzwischen verwitwet. Ihre Tochter lebte in Frankreich, ihr Sohn war bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Die
Memory
war an einen Richter verkauft worden. Etliche Hundegenerationen waren gekommen und gegangen. Auch das Ulmenrund draußen war fort, von Baumkäfern zu Tode genagt. Auf ihrem Kaminsims stand eine Sperrholzfahne mit der Aufschrift »SOLIDARNOSC«; es war die Zeit des Kriegsrechts in Polen.
    Doch nichts davon hatte Zofias Elan Abbruch getan. Sie schien wie immer, nicht verbittert, kraftvoll. Ihre Sprache hatte sich die Honigtöne bewahrt, ihre Gegenwart ihre Anziehungskraft. In den kommenden Monaten fand ich sie noch immer voll Schalk, noch immer schrieb sie, war noch immer von jener slawischen Aura umgeben   – und von ihren Hunden, drei an der Zahl, die gleich Engeln ihr zu Füßen schliefen. Wenn überhaupt, schien sie glücklicher.
    »Ja, Gott sei Dank! Es ist viel besser, siebzig zu sein, als so alt wie du.«
    »Warum?« fragte ich.
    Sie beugte sich zu mir hin. »Nicht mehr dieses Durcheinander mit dem Sex!«
    Eines Nachmittags kam ich nach Braganza hinauf und fand Zofia auf dem Boden kniend vor, neben sich Kladden und Ordner. »Die Aufzeichnungen meiner Mutter«, seufzte sie und fing zum erstenmal an, mir von ihr zu erzählen. Sie wurde lebhaft; ihr polnischer Akzent verstärkte sich. Ihre Arme hoben sich beim Heraufbeschwören alter Kümmernisse, fielen herab bei dem Gedankenan das, was verloren war. Sie schimpfte über die unmöglichen Forderungen, die ihre Mutter gelegentlich gestellt hatte. »Und doch war sie einer der außergewöhnlichsten Menschen, die ich je gekannt habe.«
    »In welcher Hinsicht?«
    Zofia dachte nach. »In beinahe jeder Hinsicht. Sie konnte einen Falken von einem Baum herunterlocken. Sie war eine brillante Gesprächspartnerin. In ihrer Gegenwart war alles gelöster, heiterer. In mancher Hinsicht war sie fast wie eine Heilige. Aber was ist alles um sie herum passiert, mein Gott!«
    »Was alles?«
    Zofia drehte sich zu mir um. Sie zögerte; die Frage war zu groß für eine Antwort. »Kriege . . . Unglücke . . . Flucht . . .« Dann schob sie die Papiere quer über den Teppich. »Aber es ist alles da! Es ist alles da drin! Warum liest du nicht einfach selber?«
    Ich nahm die Papiere mit nach Hause, die Kladden, Briefe und Tagebücher, sogar einige kurze Erzählungen. Vieles davon war auf englisch; anderes hatte

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