Das Haus der Bronskis
Enfield sehe und die schmutzigen alten Häuser und einen braunen Zug, der lärmend vorbeirast. Und Du bist auch nicht glücklich, und Du mußt zur Armee, und Du kannst nicht mehr frei sein – also wollen wir uns etwas vorstellen . . . Oh, das Leben ist viel zu wirklich und verdrießlich!
Zuerst, während der Monate des Sitzkriegs, war Eric seinem Pazifismus treu geblieben. Doch als die Kämpfe ernstlich anfingen, meldete er sich mit dem plötzlichen Eifer des Neophyten zum Kriegsdienst. Ende 1941 wurde er nach Fernost abkommandiert. Vom Schiff aus schrieb er an Zofia:
. . . Es ist Abend, und alles lehnt an der Reling und beobachtet verträumt die Wellen. Seit ich Dir das letztemal geschrieben habe, sind wir in zwei Häfen gewesen, und es gibt so viel zu erzählen, daß ich nicht weiß, wo ich anfangen soll. Weißt Du, dieses ständige Unterwegssein und für ein paar Tage Haltmachen in diesen Märchenstädten ist wundervoll, und wenn es dann weitergeht, steigt so eine verrückte Erregung in Dir auf, und Du hast das Gefühl, die ganze Welt liegt Dir zu Füßen und all die herrlichen Orte, von denen Du irgendwann gehört hast, stehen Dir offen . . . Du hast immer viel mehr Phantasie gehabt als ich. Du hast immer in die entlegensten Winkel der Erde reisen wollen, und ich habe die polnischen Wälder geliebt und die Schweizer Alpen und war zufrieden, dort zu sein. Liebe Zosia, wie sehr würde Dir dies hier gefallen . . .
Anfang 1942 war Eric mit einer Panzerabwehreinheit in Singapur stationiert. Die Japaner hatten ihren Angriffskrieg begonnen.
Eigenartigerweise bin ich wohl von Anbeginn an in alle großen Gefechte mit einbezogen worden und auch in eine Menge kleinerer. Irgendwie kriege ich keine Angst, weil ich zu viel zu tun habe, aber ich komme mir kein bißchen wie Rupert Brooke vor. Ich glaube überhauptnicht an Vorbestimmung, sondern nur an die blinde Göttin des Zufalls.
Weißt Du, Zosia, neulich im Einsatz und seitdem immer wieder habe ich plötzlich das wunderschöne Mantuski vor mir gesehen. Es ist sonderbar. Einen kurzen Augenblick lang sehe ich die Zweige der Fichten, die am Waldsaum nah dem Haus stehen, in der Sonne winken, aber meistens den Fluß, die Sandbank und die Flußbiegung gegenüber dem Dorf, den Fluß in den Auwiesen und die strudelnde Oberfläche und die Geräusche des Wassers.
Gerade eben hat es ein paar Meilen entfernt besonders starkes Granatfeuer gegeben, und mir war nach Weinen zumute, als ich schrieb. Ich glaube, das lag am Kontrast. Ich muß jetzt aufhören. Leb wohl, liebste Zosia. Ich nehme an, Du wirst mich natürlicher finden, wenn ich zurück bin.
In Liebe. Eryk.
Das war sein letzter Brief. Damals arbeitete Zofia in der polnischen Abteilung der BBC in London. Erics Schwester rief sie dort an. Sie erzählte ihr, was sie wußte: daß Eric während der japanischen Offensive in Gefangenschaft geraten war, zusammen mit einem Amerikaner hatte fliehen können, von Dorfbewohnern verraten und von den Japanern gezwungen wurde, sein eigenes Grab zu schaufeln, in das sie ihn mit Bajonettstichen hineinbeförderten.
Ich fragte Zofia, ob sie Eric geheiratet hätte.
»Phiilip, ich weiß es wirklich nicht. Natürlich haben wir von der Zukunft gesprochen, aber wir haben nie Pläne gemacht. In jenen Tagen geschah alles so schnell. Wäre ichmir mit Eric sicher gewesen, hätte ich wohl hinterher nicht so schnell geheiratet.«
Ein Jahr nach Erics Tod heiratete Zofia einen Spitfirepiloten, einen Polen. Die Trauung fand in der katholischen Kirche in der Fulham Road statt. Helena konnte nicht kommen; sie hatte eine schwere Angina. Die Flitterwochen verbrachten sie in Wales, in einem Hotel an einem See, das polnischen Fliegern freie Kost bot. Zofia erinnert sich an eine Folge schöner Herbsttage und an feuchten Adlerfarn. Es war ein kurzer Augenblick des Glücks, den sie den braunen Kriegsgreueln gestohlen hatten. Und es war ein Anfang.
Nach zehn Tagen mußte ihr Mann wieder zu seinem Geschwader in Northolt; Zofia kehrte nach London zurück. An den Abenden, an denen er nicht flog, telefonierten sie miteinander. Eine Woche nach ihren Flitterwochen flog er einen Einsatz über Frankreich. Seine Spitfire war auf dem Heimflug, als sie abgeschossen wurde. Sie waren nicht einmal drei Wochen verheiratet gewesen. Mit dreiundzwanzig war Zofia Witwe.
Nach dem Krieg heiratete sie einen amerikanischen Diplomaten. Sie ließen sich in Cornwall nieder und wurden Hotelbesitzer und kauften
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