Das Haus des Windes
einmal ins Rollen kam, führte sie immer irgendwann ein Eigenleben. Es hatte Tradition, dass auch ungebetene Gäste kamen, und jeder Gastgeber traf Vorbereitungen dafür – genauso wie für die Gäste, die betrunken auftauchten und randalierten. Vor all dem war Mooshum, wie er da auf dem Sofa aufgebahrt lag, fürs Erste geschützt. War Teil des Ganzen und durfte trotzdem dösen. Ich blieb bei ihm, während er allmählich einnickte. Aber als Sonja hereinkam, nahm er schlagartig Haltung an wie ein Soldat. Ihr Outfit musste bis in sein Unbewusstes vorgedrungen sein. Sie trug ein Wildlederhemd mit weichen Fransen, das an ihren Brüsten klebte wie eine unverziehene Sünde. Und diese Jeans, die ihre Beine so lang und dünn machte. Mir fielen fast die Augen raus. Neue Cowboystiefel mit Echsenledersaum! Und sie hatte diese Ohrstecker drin. Sie zitterten im weichen Licht.
Ich zog den Kopf ein, als sie versuchte, mich auf den Scheitel zu küssen, und überließ ihr meinen Stuhl, blieb dann aber mit vor der Brust gefalteten Armen daneben stehen und starrte sie wütend an. Ich wusste, dass sie das Hemd von meinem Puppengeld gekauft hatte, und es sah teuer aus. Sie hatte wieder eine ganze Menge ausgegeben. Und die Stiefel! Das musste doch jedem auffallen.
Sonja beugte sich dicht zu Mooshum hinüber. Sie redeten extra leise, und Sonja schüttelte lachend den Kopf. Er bedachte sie mit einem zahnlos bittenden Blick, der vor idiotischer Bewunderung nur so troff. Sie beugte sich vor und gab ihm einen Kuss auf die Wange, dann nahm sie seine Hände und redete weiter mit ihm, und die beiden lachten und lachten sich schier kaputt, bis es mich so anwiderte, dass ich ging.
Meine Eltern saßen in dem Sitzbereich für die Erwachsenen unter der Laube, und meine Mutter redete zwar nicht viel, nickteaber zumindest, wenn mein Vater etwas zu ihr sagte. Drüben beim Schuppen baute die Band ihre Technik auf. Hinter dem Schuppen saßen Whitey und die anderen Trinker auf dem Boden und ließen eine Flasche kreisen. Whitey hatte sich in ein Stimmungstief gesoffen. Er saß in seiner Ecke, starrte zu den anderen Gästen rüber, versuchte mit seinem Doppelblick zu verfolgen, was vor sich ging, und murmelte dunkle Gedanken vor sich hin, die zum Glück völlig unzusammenhängend waren. Ich entdeckte Doe Lafournais und Cappys Tante Josey. Star und Zacks Mom waren auch da und Zacks zwei kleine Geschwister. Aber von Zack, Angus und Cappy keine Spur. Ich wollte nicht nach ihnen fragen, falls sie irgendetwas vorhatten, also holte ich mein Fahrrad, das neben der Garage stand, und fuhr los. Ich war ziemlich sicher, dass Zelia etwas mit Cappys Fehlen zu tun hatte, und tatsächlich traf ich auf dem Weg zur Kirche Zack und Angus, die so langsam wie möglich im Zickzack den Hügel runterkamen, ohne Cappy.
Er ist dageblieben. Die wollen sich nach Sonnenuntergang auf dem Friedhof treffen, sagte Zack.
Diese Vorstellung war niederschmetternd, obwohl wir drei Zelia schon am ersten Tag verloren gegeben hatten. Wir radelten zu der Party zurück, die langsam Fahrt aufnahm, als die ersten Tänzer auf den Rasen hinaustraten und Grandma Ignatia mitten unter ihnen ihre besten Schritte zeigte. Wir aßen, so viel wir konnten, dann besorgten wir uns heimlich Bier und füllten es in leere Brausedosen um. Wir tranken, lauschten entspannt der Band und sahen Whitey zu, wie er sich an Sonja klammerte, die bis in die Nacht mit ihm Two-Step tanzte. Mein Vater sagte, ich sollte mit dem Fahrrad heimfahren, was ich auf ziemlich wackligen Reifen tat. Ich nahm Pearl mit in mein Zimmer und war schon fast eingeschlafen, als ich meine Eltern nach Hause kommen hörte. Ich hörte, wie sie zusammen leise redend die Treppe hochkamen, und dann hörte ich sie in ihr Schlafzimmer gehen, wie es immer gewesen war. Ich hörte das Geräusch der Zimmertür,ein abschließendes leises Klicken, das bedeutete, dass alles gut und geordnet war.
* * *
Wenn alles so bliebe, so gut und geordnet. Wenn der Angreifer im Gefängnis sterben würde. Wenn er sich umbringen würde. Ich konnte mit diesen Wenns nicht leben.
Ich muss es wissen, sagte ich am nächsten Morgen zu meinem Vater. Du musst mir sagen, wie das verdammte Aas aussieht.
Ich sage es dir, sobald ich kann, Joe.
Weiß Mom, dass er freikommen könnte?
Mein Vater fuhr sich mit dem Finger über die Lippen. Nicht wirklich, nein. Also – doch. Aber wir haben nicht darüber geredet. Es würde sie zurückwerfen, sagte er schnell. Sein Gesicht verzog
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