Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Haus des Windes

Das Haus des Windes

Titel: Das Haus des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Erdrich
Vom Netzwerk:
sagte die alte Büffelfrau, aber selbst wenn du dadurch ein Narr wirst, werden dich die Leute irgendwann für einen Weisen halten. Sie werden zu dir kommen.
    Nanapush wollte nicht, dass irgendjemand zu ihm kam.
    Das wird nicht möglich sein, sagte die Büffelfrau. Aber ich kann dir etwas geben, das dir helfen wird – sieh in dich hinein, dann weißt du, was ich im Sinn habe.
    Nanapush sah in sich hinein und erblickte ein Gebäude. Er sah auch, wie man dieses Gebäude bauen musste. Es war das Rundhaus.
    Die alte Büffelkuh redete weiter.
    Früher wurden deine Leute von den Büffeln zusammengehalten. Ihr wusstet, wie ihr uns jagen und nutzen konntet. Eure Clanstrukturen gaben euch eine Ordnung vor. Ihr hattet viele Regeln, nach denen ihr euch richten konntet. Regeln, die uns Respekt erwiesen und die euch dazu zwangen zusammenzuhalten. Jetzt sind wir nicht mehr da, aber du hast in meinem Körper Zuflucht gesucht, also verstehst du es jetzt. Das Rundhaus wird mein Körper sein, die Pfosten meine Rippen, das Feuermein Herz. Es wird der Körper deiner Mutter sein und soll mit ebenso viel Respekt behandelt werden. Wie die Mutter sich für das Leben ihres Kindes einsetzt, sollen deine Leute für ihre Kinder Sorge tragen.
    So kam es damals zustande, sagte Mooshum. Ich war noch jung, als das Rundhaus gebaut wurde – sie folgten den Anweisungen von Nanapush.
    * * *
    Ich setzte mich auf, um Mooshum sehen zu können, aber er hatte sich weggedreht und zu schnarchen angefangen. Ich blieb wach und dachte an den Ort auf dem Hügel, an den heiligen Wind im Gras und daran, wie das Gebäude nach mir gerufen hatte. Ich sah den Bruchteil eines größeren Ganzen, einer Vorstellung oder einer Wahrheit, aber eben nur einen Teil. Das Ganze sah ich nicht, sondern nur den Schatten jener Lebensweise.
    Ich war seit drei oder vier Tagen dort, als Clemence und Onkel Edward nach Minot fuhren, um eine neue Kühltruhe zu kaufen. Sie waren schon fort, als ich aufwachte. Mooshum war wie üblich um sechs aufgestanden. Er hatte den Kaffee ausgetrunken und sämtliche Eier, Toastbrote und Bratkartoffeln verdrückt, die Clemence hingestellt hatte, auch meinen Anteil. Als ich in die Küche kam, nahm ich mir ein Stück kalten Hackbraten, den Clemence zum Mittagessen vorbereitet hatte, legte es zwischen zwei Brotscheiben und tat Ketchup drauf. Ich fragte meinen Mooshum, was er den Tag über vorhatte, und er hielt sich bedeckt.
    Geh du nur mit deinen Freunden los. Er wedelte mit der Hand. Ich komme hier schon zurecht.
    Clemence hat gesagt, dass ich bei dir bleiben soll.
    Saaah, Clemence behandelt mich wie ein sabberndes Baby. Geh schon! Geh und vergnüg dich ein bisschen.
    Dann tapste Mooshum zu Eveys alter Kommode und kramtein der oberen Schublade, bis er eine alte graue Socke gefunden hatte. Er hielt sie mir mit einem bedeutungsvollen Blick entgegen und steckte eine Hand hinein. Er hatte sein Gebiss eingesetzt, was meistens bedeutete, dass er Besuch erwartete. Mit einem verschwörerischen, triumphierenden Lächeln zog er aus der Fußspitze der Socke einen labbrigen Zehn-Dollar-Schein und wedelte damit vor mir herum. Hier, nimm den! Na los, mach mal einen drauf. Majaan!
    Ich nahm ihn nicht. Du willst doch irgendwas ausfressen, Mooshum.
    Was ausfressen, sagte er und setzte sich. Was ausfressen. Dann fuhr er voller leiser Empörung fort: Wie soll da ein Mann noch ein Mann sein!
    Vielleicht kann ich dir ja helfen, sagte ich.
    Tja, warum nicht. Clemence bewahrt meine Flasche ganz oben im Küchenschrank auf. Die könntest du mir holen.
    Es war noch nicht einmal Mittag, aber ich dachte, was ist schon dabei? Wer so alt geworden war wie er, durfte ja wohl einen trinken, wenn er Lust dazu hatte. Clemence hatte ihm an seinem Geburtstag gerade mal einen Kurzen gegönnt und ihm dann zum Ausgleich jede Menge Sumpftee verordnet. Ich stand auf dem Tresen und suchte nach Clemences Flaschenversteck, als Sonja zur Hintertür hereinkam.
    Sie hatte eine Plastikeinkaufstasche mit festen Henkeln dabei, und zuerst dachte ich, sie sei wieder von meinem Geld einkaufen gewesen und wollte Clemence ihre Ausbeute zeigen. Ich kletterte mit der Flasche in der Hand vom Tresen und sagte in feindseligem Ton: Ach, du warst wieder shoppen! Ich baute mich vor ihr auf. Wir graben die Sparbücher wieder aus, sagte ich. Und dann machen wir die Runde und holen das ganze Geld wieder zurück, Sonja.
    Schön, sagte sie, und ihre blauen Augen wurden weich vor Schmerz. Soll mir recht sein.
    Hört auf,

Weitere Kostenlose Bücher