Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Haus des Windes

Das Haus des Windes

Titel: Das Haus des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Erdrich
Vom Netzwerk:
Menschenmenge riefen: Der Kuchen! Der Kuchen!
    Weil Clemence und Edward mit ihren Kameras beschäftigt waren, durften meine Cousins Joseph und Evey den gewaltigen Kuchen herbeitragen. Clemence hatte einen riesigen Blechkuchen gebacken, ihn mit Mooshums Lieblingsguss aus Puderzuckerund Whiskey überzogen und das Ganze auf eine mit Alufolie bespannte Holzfaserplatte gesetzt. Der Kuchen war so groß wie ein Tisch, sorgfältig mit Mooshums Namen dekoriert und mit mindestens hundert Kerzen bestückt, die schon hellauf brannten, als meine Cousins behutsam vorwärtsschritten. Die Menge teilte sich vor ihnen. Ich zog mich ein Stück zurück, als sie den Kuchen direkt vor Mooshums Gesicht hielten. Der Kuchen war prachtvoll. Ignatia sah neidisch aus. Die kleinen Flammen spiegelten sich in Mooshums trüben alten Augen, und die Leute sangen Happy Birthday auf Ojibwe und auf Englisch und danach ein Michif-Lied. Die Kerzen flackerten beim Herunterbrennen immer heller und tropften ihr Wachs auf den Zuckerguss, bis sie nur noch kleine Stummel waren.
    Puste sie aus! Wünsch dir was!, riefen die Gäste, aber Mooshum starrte wie hypnotisiert in die Flammen. Grandma Ignatia sprach ihm direkt ins Ohr. Endlich nickte er und beugte sich über den Kuchen, und in dem Augenblick wehte eine einzelne Brise durch die Laube, ein kleiner Luftzug nur. Man hätte denken können, dass er die Kerzen löschen würde, aber im Gegenteil. Er versorgte sie mit genug Sauerstoff, dass sie noch einmal hell aufflackerten, und dann verbanden sich die Flämmchen zu einem einzigen Feuer, das die Mischung aus Wachs und Whiskeyguss entzündete. Der ganze Kuchen begann mit einem leisen Whoosh zu brennen, und die Flammen schlugen so hoch, dass sie sich in Mooshums fettige Strähnen kringelten, als er sich mit geschürzten Lippen darüberbeugte. Das Bild von Mooshums Kopf im Feuerball sehe ich bis heute vor mir. Nur seine beglückten Augen und sein breites Grinsen waren zu sehen, als er scheinbar von den Flammen verzehrt wurde. Mein Großvater und der Kuchen wären wohl beide hinüber gewesen, hätte nicht Onkel Edward die Geistesgegenwart besessen, Mooshum einen Krug Limonade über den Kopf zu kippen. Zum Glück hielten Joseph und Evelina außerdem immer noch die Holzfaserplatte in den Händen und konnten den brennenden Kuchen im Laufschrittzur Auffahrt tragen, wo die Flammen erloschen, sobald sie den Alkohol aufgezehrt hatten. Onkel Edward wurde gleich noch einmal zum Helden des Tages, indem er die verkohlten Reste des Zuckergusses einfach mit einem langen Brotmesser abstreifte. Er erklärte den Rest des Kuchens für essbar, ja sogar für flambiert und somit verfeinert. Irgendjemand brachte literweise Eis, und die Party kam wieder in Gang. Ich bekam den Auftrag, Mooshum ins Haus zu schaffen, damit er sich von der Aufregung erholte. Drinnen versuchte Clemence gleich, seine angesengten Strähnen abzuschneiden.
    Die Flammen selbst hatten seine Haut nicht verletzt, aber dass er in Flammen gestanden hatte, machte ihn total aufgekratzt. Er achtete genau darauf, dass Clemence nur das abschnitt, was hoffnungslos schwarz und verschrumpelt war.
    Ist ja gut, Daddy, ich versuch’s ja. Aber die stinken, weißt du. Sie gab es auf. O Mann, Joe. Hier, setz du dich zu ihm.
    Er lag mit Kissen und Häkeldecke auf der Couch, nur ein Haufen Stöcke und ein frohes Grinsen. Sein Gebiss hatte sich in der Aufregung gelockert, also holte ich ihm ein Glas Wasser, und er legte es hinein. Unglücklicherweise hatte ich einen von diesen halbdurchsichtigen Plastikbechern erwischt, aus denen die Kinder ihr Kool-Aid tranken. Als ich gerade nicht hinsah, schnappte sich eine Vierjährige den Becher, rannte wieder raus und schlürfte glücklich das Gebisswasser, wie es das bei seinen größeren Cousins gesehen hatte, bis die Kleine irgendwann ihre Mutter nach mehr Kool-Aid fragte und die Mutter entdeckte, was unten im Becher lag. Ich saß neben Mooshum und bekam von all diesen Dramen nichts mit. Meine Cousine und mein Cousin waren zwar da, aber viel älter als ich und vollauf damit beschäftigt, die Befehle ihrer Mutter auszuführen. Meine Freunde, die versprochen hatten, zu kommen, waren noch nicht gekommen. Die Party würde noch endlos weitergehen. Später würde es Tanz geben und Geigenspiel, dann Keyboard- und Gitarrenmusik und noch mehr Essen. Meine Freunde wartetenwahrscheinlich auf Alvins gegrillte Wildsteaks oder auf das Essen aus ihren eigenen Haushalten. Wenn im Reservat so eine Party erst

Weitere Kostenlose Bücher