Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Haus des Windes

Das Haus des Windes

Titel: Das Haus des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Erdrich
Vom Netzwerk:
erreichen konnten. Ich hab so einige Mädchen um den Verstand gebracht, fuhr Mooshum fort, aber zu Lebzeiten meiner hübschen Ehefrau, da habe ich meine katholische Pflicht getan.
    Das dürfte dir ja nicht schwergefallen sein, schnaubte Ingatia. Aber warst du treu oder nicht?
    Ich war treu, sagte Mooshum. Bis zu einem gewissen Punkt jedenfalls.
    Einem gewissen Punkt?, fragte Ignatia scharf. Die außerehelichen Abenteuer von Frauen befürwortete sie immer, aber Männern verzieh sie nie etwas. Oh, warte mal, alter Freund, wie konnte ich das vergessen? Ein gewisser Punkt! Eyyy, sehr witzig. Natürlich, diese Lulu hat draußen am Fisher’s Point gewohnt. Und mit der hast du deinen Sohn gezeugt.
    Ich zuckte zusammen, aber die beiden bemerkten es gar nicht. Wussten alle außer mir, dass ich noch einen Onkel hatte? Wer war Mooshums Sohn? Ich bemühte mich, meinen Mund wieder zuzuklappen. Als ich mich umsah, fiel mir natürlich auf, dass diemeisten Gäste Lamartines oder Morrisseys waren, und dann sagte Ignatia seinen Namen.
    Dieser Alvin hat sich wirklich gemacht.
    Whiteys Freund Alvin! Der hatte immer praktisch zur Familie gehört. Tja. Wenn ich diese Geschichte Weißen erzähle, staunen sie immer, und wenn ich sie Indianern erzähle, packen sie selbst genauso eine Geschichte aus. Und meistens haben sie von ihren inoffiziellen Verwandten erfahren, indem sie mit dem oder der Falschen ausgegangen sind, oder sie haben die Familienverhältnisse jedenfalls erst als Teenager richtig durchschaut. Vielleicht war einfach niemand auf die Idee gekommen, das Offensichtliche zu erklären, oder ich hatte als Kind nur nicht richtig zugehört. Jedenfalls begriff ich jetzt, dass Angus eine Art Cousin von mir war, weil Star eine Morissey war und ihre Schwester, Angus’ Mutter, einmal mit Alvins jüngerem Bruder Vance verheiratet gewesen war, aber dass Vance einen anderen Vater hatte als Alvin, schwächte die Verbindung natürlich. Hatte ich schon mal die Bezeichnung für so einen Cousin gehört, fragte ich mich, oder sollte ich Mooshum und Ignatia danach fragen?
    Entschuldigt bitte, sagte ich.
    Oh, natürlich, mein Junge, bist du aber höflich! Grandma Ignatia bemerkte mich erst jetzt und richtete ihre scharfen Krähenaugen auf mich.
    Wenn Alvin mein Halbonkel ist und Stars Schwester mit Vance verheiratet war und mit ihm Angus gekriegt hat, was ist Angus dann für mich?
    Ein Heiratskandidat, krächzte Grandma Ignatia. Anishaaindinaa. Nur ein Scherz, mein Junge. Angus’ Schwester könntest du heiraten. Aber das ist eine gute Frage.
    Er ist dein Viertelcousin, sagte Mooshum entschieden. Du musst ihn nicht wie einen Cousin ersten Grades behandeln, aber er steht dir näher als ein Freund. Du musst ihn verteidigen, aber nicht bis auf den Tod.
    Bis auf den Tod – to the death – klang bei ihm mehr wie to da dett. Heutzutage sprechen die meisten von uns das th ordentlich aus, wenn wir nicht mit der Chippewa-Sprache aufgewachsen sind, und verschleifen es nur ab und zu aus Gewohnheit. Mein Vater fand es als Richter wichtig, jedes einzelne th zu artikulieren. Meine Mutter nicht. Ich selbst ließ die weicheren ds hinter mir und begann mit dem th , als ich aufs College kam. So war es bei vielen anderen auch. Ich habe sogar einmal ein grauenvolles Gedicht über die vielen ds geschrieben, die ganz allein im Reservat zurückgelassen wurden, und es einer Freundin gezeigt. Sie fand, die Idee hätte etwas für sich, und weil sie Linguistin im Hauptfach war, schrieb sie einen Aufsatz darüber. Einige Jahre nach diesem Aufsatz heiratete ich sie im Familienkreis im Reservat, und mir fiel auf, wie wir, sobald wir über die Grenze waren, die ths ablegten und unsere ds wieder aufnahmen. Aber obwohl sie eine Hauptfachlinguistin war, wusste auch sie kein Wort für meine Verwandtschaftsbeziehung zu Angus. Ich fand, dass Mooshum es am besten definiert hatte, als er sagte, dass ich mich für Angus einsetzen müsse, aber nicht uneingeschränkt. Ich musste nicht für ihn sterben, was eine gewisse Erleichterung war.
    Inzwischen waren immer mehr Leute gekommen und hatten sich zu uns gesetzt, eine ganze Menschenmenge, die jetzt Mooshum umringte, und alle richteten ihre Aufmerksamkeit auf seinen Ehrenplatz unter der Gartenlaube. Einige gingen mit ihren Kameras in Position, und meine Mutter und Clemence ließen sich mit ihren Köpfen links und rechts von Mooshums Kopf fotografieren. Dann lief Clemence ins Haus, und es wurde ganz still, bis ein paar Kinder am Rand der

Weitere Kostenlose Bücher