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Das Haus des Windes

Das Haus des Windes

Titel: Das Haus des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Erdrich
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beklauen, gab mir so ein tiefschwarzes, sinkendes Gefühl, und die Shrimps regten sich in meinen Eingeweiden. Aber Cappy hatte recht.
    Du musst am Samstagabend zwischen acht und zehn ins Haus einsteigen, sagte Cappy. Es könnte passieren, dass Doe oder Randall noch irgendetwas holen kommen, wenn die Fahnen eingeholt sind, aber bis dahin schwingt Randall auf jeden Fall das Tanzbein oder schleppt Bräute ab. Und Dad hängt sowieso hinter dem Mikro fest. Also gehst du dann rein. Und du musst wirklich einbrechen, Joe. Schaden anrichten. Den Gewehrschrank machst du mit der Brechstange auf, habe ich mir überlegt. Und klau noch ein paar andere Sachen, oder tu jedenfalls so. Den Fernseher zum Beispiel.
    Den kann ich nicht tragen!
    Zieh einfach den Stecker raus und schmeiß die Sachen davon runter. Nimm Randalls Ghettoblaster … nee, den wird er mitnehmen. Nimm die Kiste mit dem guten Werkzeug. Aber lass sieauf der Veranda fallen, als wärst du von einem Auto überrascht worden.
    Yeah.
    Und das Gewehr. Achte darauf, dass du das richtige mitnimmst. Ich zeig’s dir noch mal.
    Okay.
    Und du bringst ein paar schwarze Müllsäcke zum Einwickeln mit, weil du es verstecken musst.
    Ich kann’s nicht mit nach Hause nehmen, sagte ich. Ich muss es woanders verstecken.
    Auf dem Ausguck zum Beispiel, in dem Gebüsch hinter der Eiche, sagte Cappy.
    Nachdem wir alle Großväter neben der Feuerstelle abgeladen hatten, verbrachten wir den Rest des Nachmittags damit, den Weg zu markieren, den ich nehmen wollte, und ein Versteck auszusuchen, das ich auch im Dunkeln finden würde. Der Mond würde dreiviertelvoll sein, aber natürlich konnte es auch wolkig werden. Wir wollten sichergehen, dass ich mich ohne Taschenlampe zurechtfinden würde. Und danach musste ich zum drei Meilen entfernten Powwow-Gelände zurück, querfeldein und ohne Fahrrad, damit mich niemand bemerkte. Die letzten zwei Jahre hatte ich während des Powwow mit Cappys Familie auf dem Gelände übernachtet – die Tanten im Wohnwagen und die Männer in einem gemeinsamen Zelt. Dazwischen ein Lagerfeuer. Randall zog nachts durch die Tipis. Wenn wir morgens aufwachten, lag er halbtot im Zelt und roch schwach nach irgendeinem Mädchenparfüm. Meine Eltern würden davon ausgehen, dass ich wieder hinwollte. Und wenn sie es diesmal nicht erlaubten, würde ich mich trotzdem rausschleichen. Ich musste hin.
    * * *
    Die Shrimps oder irgendwas anderes, das ich gegessen hatte, plagten mich die ganze nächste Woche über. Beim Anblick von Essen wurde mir schlecht, und wenn ich meine Mutter odermeinen Vater ansah, wurde mir schwindlig. Also hielt ich den Blick gesenkt und aß nur wenig. Dafür schlief ich viel. Abends sackte ich weg, als hätte man mich k. o. geschlagen, und morgens kam ich schlecht aus dem Bett. Einmal griff ich nach dem Aufwachen nach dem Buch, das Father Travis mir gegeben hatte. Dune war ein dickes Taschenbuch mit drei dunklen Gestalten auf dem Cover, die unter einem riesigen Felsen durch die Wüste wanderten. Ich schlug es zufällig irgendwo auf und erwischte eine Stelle über einen Jungen, der mit einem schrecklichen Gefühl der Bestimmung erfüllt war. Ich warf das Buch quer durchs Zimmer und ließ es liegen. Viele Monate nach jenem Morgen las ich das Buch doch, und dann noch einmal und noch einmal. Ein ganzes Jahr lang war es das einzige Buch, das ich las. Meine Mutter sagte, ich käme wahrscheinlich in die Pubertät. Ich hörte es mit. Ich belauschte sie dabei. Es war mir zur Gewohnheit geworden, sie zu belauschen. Ich schlich ihr nach, weil ich wissen musste, ob es wirklich keine andere Möglichkeit gab. Ob ich es tun musste. Wenn Lark wegzog oder floh oder wie ein Hund vergiftet oder irgendwie doch noch verhaftet wurde, war ich frei. Aber ich konnte mich nicht darauf verlassen, dass meine Eltern es mir erzählen würden, also versteckte ich mich hinter Türen und hockte mich unter offene Fenster und lauschte und bekam nie das zu hören, was ich wollte. Natürlich kam irgendwann das Powwow-Wochenende.
    Mom und Dad waren einverstanden, dass ich mit Does Jungs campen ging, wie sie es formulierten, und ich durfte mit ihnen aufs Gelände fahren, auf der Ladefläche von Does Pick-up, wo ich mich auf meinen Schlafsack hockte. Fünf Dollar für Essen in der Hosentasche. Randall fuhr so schnell, dass uns auf den Schotterstraßen die Zähne aufeinanderschlugen und wir fast von der Ladefläche fielen, aber so waren wir früh genug dort, um den üblichen Platz zu besetzen.

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